Nürtingen

Was taugt die Serie „Deutsches Haus“ auf Disney Plus?

Netz G’schwätz: Allein schon wegen des kurzen Auftritts von Iris Berben sollte man sich die Mini-Serie über die Frankfurter Auschwitzprozesse anschauen, auch wenn es manchmal sehr wehtut, sagt unser Redakteur.

Starke Persönlichkeit: Katharina Stark alias Eva Bruhns Foto: Krzysztof Wiktor/Disney/Gaumont

NÜRTINGEN. Es gibt Szenen der fünfteiligen Disney-Plus-Serie „Deutsches Haus“, die gehen unter die Haut. Beispielsweise als eine Delegation das Konzentrationslagers Auschwitz besucht und eine Schweigeminute für die Opfer des NS-Terrors einlegt und diese eben auch im Film abgewartet wird. Oder als die Anklageschrift verlesen wird und man wirklich nachempfinden kann, wie schwer es sein muss, diese Gräueltaten in einer nüchternen Diktion vorzutragen. Ja, wir schreiben das Jahr 1963. In Frankfurt beginnen die Auschwitz-Prozesse und mittendrin ist die fiktive Familie Bruhns, welche die Gaststätte „Deutsches Haus“ betreibt und mit Fleiß es zu etwas gebracht hat. Der Vater (Hans-Jochen Wagner) freut sich, wenn der Braten nicht kalt wird. Die Mutter ((Anke Engelke) ist glücklich, als sie endlich die neuen weißen Tischdecken auspacken kann. Eine typische deutsche Spießbürgerfamilie eben. Die Tochter Eva Bruhns (Katharina Stark) hat sich einen reichen Verlobten (Thomas Prenn) geangelt, der es aber nicht schätzt, dass seine spätere Frau arbeitet. Heute wird oft vergessen, dass bis 1977 Frauen eine Erlaubnis ihres Verlobten oder Mannes benötigten, um arbeiten zu dürfen. Eva Bruhns begleitet als Polnisch-Dolmetscherin den Strafprozess gegen ehemalige Angehörige der SS, die im Konzentrationslager Auschwitz gefoltert und gemordet haben. Die Mini-Serie beruht auf dem gleichnamigen Roman von Annette Hess aus dem Jahr 2018. Deutsche Stars geben sich ein Stelldichein. Heiner Lauterbach spielt den SS-Oberscharführer Wilhelm Boger oder Henry Hübchen schauspielert als zu Wohlstand gekommener Kommunist, den die Schrecken der einstigen Haft nicht loslassen. Auch wenn Iris Berben nur einen kurzen Auftritt als einstige KZ-Gefangene hat, bleibt dieser doch in Erinnerung. Auf der Anklagebank die alten Herren, die nichts gewusst haben wollen, obwohl sie Teil der NS-Tötungsmaschinerie waren, hier die Überlebende, die ihnen den Spiegel vorhält.

Wie war das überhaupt möglich?

Dass Eva Bruhns’ Familie ebenfalls ein Geheimnis hütet, das man gern vergessen hätte, ist ebenfalls Teil der Geschichte. Doch es sind die scheinbaren Nebenaspekte, die den Film so spannend machen. Wie geht man mit der Erkenntnis um, selbst überlebt zu haben, während viele andere grausam sterben mussten? Und vor allem, wie hält man das Schweigen aus? Das Schweigen und Verdrängen über die Gräueltaten, die Biedermänner für ein menschenverachtendes System ausführten und sich hinterher keiner Schuld bewusst waren. Die Aufarbeitung des NS-Terrors setzte in der Bundesrepublik erst viel später ein.

Ob es wirklich die beste deutsche Serie des Jahres 2023 ist? Das kann schon sein. Aber es ist auf jeden Fall die Serie, die mit Passagen glänzt, die so dicht sind, dass man manchmal am liebsten vorspulen möchte.

Beste Szene: Dr. Rachel Cohen alias Iris Berben im Gerichtssaal

Seltsamster Charakter: Eva Bruhns’ Schwester Annegret (Ricarda Seifried)

Lieblingsfigur: Außer Iris Berben: Eva Bruhns (Katharina Stark) und Henry Hübchen (Walther Schoormann)

Die Serie „Deutsches Haus“ läuft seit dem 15. November auf Disney Plus.

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