Licht der Hoffnung

Ehrenamtliche nehmen Anteil

„Orte des Zuhörens“ als niedrigschwelliges Angebot für Menschen in Not – Nach schleppendem Auftakt immer mehr angenommen

Thomas Pfitzer und Doris Rentel hören zu und nehmen sich den Sorgen ihrer Mitmenschen an. Foto: NZ-Archiv

Geschwisterlichkeit und Solidarität ist das Prinzip, das der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini vor Augen hatte, als er Ende der 70er-Jahre die „Orte des Zuhörens“ schuf. In Nürtingen gibt es dieses Angebot, das auch mit Mitteln aus der Weihnachtsaktion „Licht der Hoffnung“ unserer Zeitung angeschoben wurde, seit Ende 2011. Die erste Jahresbilanz stimmt zuversichtlich.

NÜRTINGEN. Gemeindemitglieder nehmen sich ehrenamtlich Zeit, um für Menschen in Notlagen, für ihre kleinen und großen Sorgen, ein offenes Ohr zu haben. In Nürtingen sind das neun Männer und Frauen, die zweimal im Monat Ansprechpartner sind. Das Angebot der katholischen Kirchengemeinde St. Johannes in Nürtingen wird begleitet vom Caritas-Verband Fils-Neckar-Alb in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Diözese nimmt eine Vorreiterrolle bei der Einführung der „Orte des Zuhörens“ in Deutschland ein, pflegt doch ihr Caritasverband seit Jahren intensive Kontakte mit der Mailänder Caritas Ambrosiana, wo man bei Besuchen auf dieses Projekt aufmerksam geworden war.

Pfarrer Schwer, der das Projekt vor Ort begleitet, ist mit dem Auftaktjahr zufrieden. „Wir erreichen mit dem niedrigschwelligen Angebot Menschen, die sich manches Mal auch scheuen, im ersten Schritt ihrer Suche nach Hilfe auf professionelle Beratungsstellen zuzugehen.“ Das heißt jedoch nicht, dass die Ehrenamtlichen alleine gelassen werden. Neben Pfarrer Schwer steht die Sozialarbeiterin Kornelija Ljubek-Ples von der Caritas zur Verfügung. Sie organisiert die Qualifizierung, die alle Ehrenamtlichen durchlaufen, bevor sie die Gesprächstermine anbieten.

Die Ehrenamtlichen können sich jederzeit mit Rückfragen an die Sozialarbeiterin wenden, mit der sie sich darüber hinaus einmal im Monat zu einer Reflexionsrunde treffen. „Diese Termine sind für uns auch zur erweiterten Fortbildung geworden“, sagt Pfarrer Schwer. Dazu wurden dann schon mal Experten eingeladen, wie zum Beispiel ein Rechtsanwalt oder der Diplompsychologe Alexander Wessel von der Psychologischen Familien- und Lebensberatung Esslingen-Nürtingen der Caritas in der Nürtinger Werastraße. Denn Pfarrer Schwer und den Ehrenamtlichen ist klar, dass ihr Angebot Grenzen hat, dass es nicht um Beratung geht, sondern allenfalls um einfache Hilfen, gegebenenfalls auch um die Vermittlung an die qualifizierten Beratungsstellen und vor allem darum, Menschen das Gefühl zu geben, dass sie in schwierigen Situationen nicht alleine sind.

„Es war jedoch eher selten, dass die Ehrenamtlichen sich an die hauptamtliche Ansprechpartnerin wenden mussten“, so Pfarrer Schwer, der aber auch berichtet: „Es gab einen Fall von Suizidgefahr, da haben wir an den Nürtinger Arbeitskreis Leben und dessen Fachkräfte vermittelt.“ Dabei gab es sogar eine Rückmeldung von betroffener Seite, den Ehrenamtlichen wurde ausdrücklich gedankt und versichert, wie wichtig ihre Zuwendung in dieser schwierigen Situation war, die letztlich mit fachlicher Hilfe auf einen guten Weg gebracht wurde. Aber auch weniger dramatische Beispiele gibt es. Sozialrechtliche Fragen oder auch Erbschaftsrecht spielten schon eine Rolle, so Schwer, ohne ins Detail zu gehen, ist Vertraulichkeit doch oberstes Gebot. Der Hinweis auf Rechtsbeihilfe beim Amtsgericht sei auch schon wertvoll gewesen.

Die Ehrenamtlichen führten im vergangenen Jahr 24 Gespräche, bei denen 19 Mal Frauen und fünfmal Männer ihre Anliegen zur Sprache brachten. Rund die Hälfte war zwischen 41 und 60 Jahre alt, neunmal waren es Ältere, vier der Ratsuchenden waren zwischen 28 und 40 Jahre alt. Sieben Personen hatten einen Migrationshintergrund. Aus Nürtingen kamen 15 Personen.

Konflikte in Partnerschaft und Familie überwiegen

Anders als beim gleichartigen Esslinger Angebot seien nicht materielle Probleme an erster Stelle der Anliegen registriert worden. Vielmehr waren es elfmal Konflikt- und Problemsituationen in der Familie beziehungsweise in der Partnerschaft. Allerdings lagen dabei in manchen Fällen zusätzlich weitere Notlagen vor. Krisen und aktuelle Konflikte standen mit sieben Fällen an zweiter Stelle. Fünfmal waren Fragen des sozialen Leistungsbezugs und gesundheitliche Fragen Gegenstand der Gespräche. Achtmal wurden die Ehrenamtlichen, die immer als Tandem zum Gespräch zur Verfügung stehen, ein zweites oder drittes Mal aufgesucht, was als Vertrauensbeweis gedeutet wird.

Die Gesprächszeiten sollen beibehalten werden, die zur Verfügung stehenden Ehrenamtlichen könnten sie gut abdecken, so Schwer. Weitere Engagierte seien jedoch willkommen, schätzt Pfarrer Schwer doch auch das breite Spektrum an Kompetenzen, die von den Ehrenamtlichen eingebracht werden. Das Angebot ist kostenfrei, alle sind willkommen, unabhängig von Religion und Nationalität, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

„Orte des Zuhörens“, jeden zweiten Montag (9 bis 11.30 Uhr) und jeden vierten Donnerstag (17 bis 19.30 Uhr), katholisches Gemeindehaus St. Johannes, Vendelaustraße 28 in Nürtingen

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