Licht der Hoffnung

Jenseits des Musikantenstadls

Licht der Hoffnung: Andrea Pancur über ihr Projekt AlpenKlezmer und das Eröffnungskonzert unserer Aktion in Oberboihingen

Musikforscherin und brillante Sängerin: Andrea Pancur tritt am Sonntag mit dem Ensemble AlpenKlezmer in der Oberboihinger Gemeindehalle auf. Foto: pm

Oberboihingen hat eine Schuhplattlergruppe. Auch der Albverein ist sehr rührig und wagt sich ab und an auch ins Gebirge. Ideale Voraussetzungen also für das Eröffnungskonzert unserer Aktion „Licht der Hoffnung“: Am Sonntag, 17. November, um 18 Uhr gastieren das Ensemble AlpenKlezmer und die Kapelle Rohrfrei in der Gemeindehalle.

Nicht jeder mag sich unter dieser Kombination etwas Konkretes vorstellen können. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt Andrea Pancur, die Initiatorin von AlpenKlezmer, worum es da eigentlich geht.

Die Alpen und Klezmer-Musik – das passt doch nie und nimmer zusammen. Seid ihr noch ganz koscher?

Man würde nicht vermuten, dass bayerische und osteuropäisch-jüdische Musik irgendwas gemeinsam haben. Aber die Wiege der osteuropäisch-jüdischen Kultur, die man ja auch jiddische Kultur nennt, ist in den deutschsprachigen Gebieten des Mittelalters zu finden. Selbstverständlich gab es da ja auch Kontakte zwischen den Bevölkerungsgruppen – und dadurch sind Lieder von der einen Kultur zur anderen gewandert. In dieser Richtung hab ich recherchiert und auch einiges gefunden. Jiddisch ist ja auch eng verwandt mit dem Deutschen. Das ist keine slawische Sprache, sondern eine germanische.

Wie sind Sie denn auf diese Lieder gestoßen?

Ich hab einfach in Liederbücher geguckt, Fortbildungen besucht. Und wenn man einmal anfängt, zu suchen, dann findet man schon was. Wobei ich zuerst auch überrascht war, auf wie viel ich gestoßen bin. Und alles sind sehr fröhliche Sachen. Volkslieder eben – in unserer Bearbeitung.

Gibt es denn auch fließende Übergänge zwischen dem Bayerischen und dem Jüdischen?

Von der Sprache her ja. Von der Musik her nein. Die ist grundsätzlich ganz unterschiedlich. Da haben wir sehr viel basteln müssen, um das zusammenzubringen. Aber ich finde, das ist uns supergut gelungen.

Auch einen Letten würde man ja nicht unbedingt mit den Alpen in Verbindung bringen.

Stimmt. Aber der Kollege Ilya Shneyveys aus Riga ist jemand, der einen offenen musikalischen Geist hat und Interesse daran hatte, das Programm mit aufzubauen.

War das so schwierig?

Ich hab schon länger nach jemand für ein solches Projekt gesucht. Und wenn ich in der bayerischen Musikszene gefragt hab, hab ich gehört „Na ja, Klezmer, i woaß net!“. Dann hab ich in der Klezmer-Szene gefragt. Die haben gesagt „Bayerische Musik? Ach nee, lass gut sein!“. Und der Ilya, der in Oberboihingen Akkordeon und Klavier spielt, hat eben von Anfang an Spaß und Interesse dran.

Sie sind ja für musikalische Grenzüberschreitungen bekannt. Wie hoch war denn die Grenze zwischen bajuwarischer und jüdischer Musik?

Erst denkt man, so was geht nicht. Und dann geht es doch. Vom Kopf her war die Grenze schon recht hoch, weil so viel außermusikalische Dinge mit reinspielen. Wenn man sich aber auf die Lieder und das, was in ihnen steckt, konzentriert, dann ist das relativ einfach.

Womit muss man denn da kämpfen?

Bei der Vorbereitung hab ich zum Beispiel einen Jodler fünfstimmig gesetzt. Und fand das auch sehr schön. Bis ich erfahren habe, dass in Bayern ursprünglich nur zweistimmig gejodelt wurde. Und die Drei- und Vierstimmigkeit in den Liedern erst mit dem Anschluss Österreichs 1938 politisch gewollt war. Weil die die Mehrstimmigkeit schon früher hatten. Da sitzt man dann schon da und denkt sich „Was soll ich jetzt machen?“.

Und was haben Sie gemacht?

Ich hab die fünf Stimmen rausgestrichen und nur eine Bassstimme dazugenommen. Solchen Fragen mussten wir uns damals stellen, heute würde ich das lockerer sehen.

Wann haben Sie denn mit dem Jodeln begonnen? Oder konnten Sie das als Münchnerin schon immer?

Nö. Ich hab erst etwa ein Jahr vor unserem Programm damit angefangen.

Und können Sie dem Jodeln mittlerweile etwas abgewinnen?

Und wie! Sonst hätte ich das ganz Programm ja nicht angefangen. Nach meiner vorhergegangenen CD bin ich dagesessen und hab mir gedacht „Mei, ob mir jemals im Leben noch was einfallen wird, das sich lohnt, auf die Bühne zu bringen?!“. Dann hab ich mich intensiv mit der bayerischen Musik beschäftigt. Nicht nur als Zuhörerin, sondern weil ich wissen wollte, wie das Ganze denn funktioniert. Und zwar weil ich von jüdischen Kollegen gehört habe, dass sie es als Bereicherung erlebt haben, mal auf ihre ostjüdischen Wurzeln zu schauen.

Also ging alles wie von selbst?

Nicht unbedingt. Erst mal hab ich mir gedacht „Was soll ich jetzt da singen?“. Es gibt schließlich so viele gute junge tolle Musikgruppen in Bayern, die einfach hervorragend sind. Da hab ich mir schon überlegt, ob es mich noch braucht. Und dann ist mir dieses Thema untergekommen. Dass es Berührungspunkte zwischen bayerischer und jüdischer Volksmusik gibt, fand ich unglaublich spannend.

Wenn wir schon bei guter junger bayerischer Musik sind: Am Sonntag kommt ja noch ein drittes Element hinzu – die Kapelle Rohrfrei. Worauf müssen wir uns denn da einstellen?

Auf schwungvolle, blechlastig-orientierte Tanzmusik. Aus Franken.

Blasmusik ist doch was von gestern. Kann so was heute denn noch Spaß machen?

Die ganze Volksmusik erfährt gerade ein riesengroßes Revival. Was da gespielt wird, ist jung, frisch, frech. Ich finde es großartig.

Erleben wir dann ein Programm jenseits des Musikantenstadls?

Mit Sicherheit.

Und worauf freut ihr euch denn?

Auf die gemeinsamen Stücke, die wir spielen werden. Auf die Kollegen der Kapelle Rohrfrei, schließlich sind wir uns auf diversen Festivals schon über den Weg gelaufen. Und natürlich freue ich mich auch, wenn es voll werden würde, sodass für „Licht der Hoffnung“ möglichst viel zusammenkommt.

Der Vorverkauf für die Eröffnung und die anderen Veranstaltungen des Festivals der Hoffnung läuft in unserem Stadtbüro am Nürtinger Obertor 15, Telefon (0 70 22) 94 64-1 50, E-Mail nz-vorverkauf@ntz.de.

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