Leserbriefe

Früher lief es besser

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel „Kitasituation in Nürtingen: Was tut die Stadt gegen die Misere?“ vom 23. September.

Es stimmt alles: Zu wenig Fachkräfte, zu wenig Plätze, zu viel Reglement und ein wirkungsloser Anspruch der Familien auf Kita-Plätze. Es geht nur noch um Betreuung. Von Erziehung – immerhin die Berufsbezeichnung – redet niemand mehr. Stattdessen tarnt man sich hinter dem Etikett „Bildungscampus“. Ein Witz mit Anlauf angesichts der fatalen Misere. Die Schuldigen sind längst ausgemacht. Zuerst eine Verwaltung, die dem Missstand nichts entgegenzusetzen hat und schulterzuckend auf fehlendes Fachpersonal verweist. Letztlich aber der Staat, weil Erzieher kein einträglicher Beruf ist wie etwa Grundschullehrer.

Die Eltern baden es aus. Auch die in der Kita verbliebenen Erzieherinnen, weil ein übermäßiger Krankenstand laufend die Reihen lichtet. Das geht bis zur mentalen und körperlichen Erschöpfung derer, die den Betrieb am Laufen zu halten versuchen. Das Ganze nahm vor zwei Jahrzehnten seinen unheilvollen Anfang mit jener staatlichen Schrift namens „Orientierungsplan“. Ein untaugliches Geschwurbel von zig Autoren, die zeigen wollten, was sie alles wissen. Den Federführenden kannte ich persönlich aus meiner Zeit beim Ministerium.

Vor der Nürtinger Verwaltungsreform durch Imaka ging alles einfach: Zwei autonom arbeitende Fachkräfte pro Gruppe, samt hin und wieder Praktikantinnen. Zum Rathaus (zwei Herren und zwei Damen) genügte ein kurzer Draht per Telefon. Es gab unkomplizierte Anfragen und Entscheidungen, zufriedene Eltern und gern arbeitende Erzieherinnen, die ihren Gruppenraum persönlich gestalten konnten, was für Grundschullehrer nur recht und billig ist. Heute: Rechner, Farbdrucker, Listen, Ordner, laufend geänderte Vorschriften und Regeln, unergiebige Teamsitzungen und darüber eine teuer bezahlte Leitungsperson, ohne die es früher rund lief. Es ist zum Heulen!

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