Licht der Hoffnung

Licht der Hoffnung: Kinder stürmen den von Nürtingern in Gambia gebauten Spielplatz

Für den Nürtinger Verein Namél haben die Jugendwerkstatt-Mitarbeitenden in Bakoteh binnen zwei Wochen Spielgeräte neben der Schule aufgebaut, die auf große Begeisterung stoßen. In dem Ort hat es zuvor keinen kostenfreien öffentlichen Spielplatz gegeben.

Von bis zu 30 Kindern ist die glücklicherweise stabile Nestschaukel sofort in Beschlag genommen worden. Foto: pm
In dem ausrangierten Seecontainer können die gambischen Kinder nun ihre Geschicklichkeit testen. Foto: pm
Eine alte Tuk-Tuk-Autorikscha wurde zum Wipptier umfunktioniert. Foto: pm
Ralf Kuder und Anneli Bialek mussten erst einmal eine Müllhalde beseitigen, um Platz für die Spielgeräte zu schaffen. Foto: pm
Der alte Container und die Nestschaukel sind bei den Kindern aus Gambia von Beginn an beliebt. Foto: pm

NÜRTINGEN. Öffentliche Spielplätze sind bis vor Kurzem in der Stadt Bakoteh in Gambia noch unbekannt gewesen. Das hat ein kleines Team aus den Reihen der Nürtinger Seegrasspinnerei unter der Leitung von Anneli Bialek und Ralf Kuder von der Jugendwerkstatt geändert. Mithilfe der bei der Weihnachtsaktion „Licht der Hoffnung“ eingegangenen Spendengelder ist im Auftrag des Nürtinger Vereins Namél ein Spielplatz neben einer Schule in Gambia in Eigenbau entstanden, der von Beginn an rege genutzt wird. Dabei hatte das Nürtinger Team vor Ort in Gambia weniger als drei Wochen Zeit für den Spielplatz-Bau, was aber gereicht hat.

Zehn Minuten Fußweg vom Kinderzentrum zur Schule

Zehn bis 15 Minuten Fußweg sind es von dem in Bakoteh vor ein paar Jahren ebenfalls vom Verein Namél nach dem Vorbild der Nürtinger Kinderkulturwerkstatt neu gebauten Kinderzentrum Children Cultural Center (CCC) bis zur Schule, die von rund 3000 Grundschülern besucht wird. Zwischen dem Schulgelände und einem großen Sportplatz befand sich bis vor wenigen Wochen noch ein Müllfeld. Mit der Hilfe von Einheimischen hat das Nürtinger Team, zu dem neben Anneli Bialek und Ralf Kuder auch noch dessen 20-jährige Tochter Marleen, die Praktikantin Elli, die ansonsten an der Dualen Hochschule für Sozialarbeit Baden-Württemberg studiert, Martin Schirmer und die Gambier Kalifa Susso, Mo Njie und Lehrer Sabally angehörten, erst einmal den Müll aufgeräumt, um eine freie Fläche für den Spielplatz zu bekommen.

„Dann haben wir einen gebrauchten Container gesucht“, erzählt Anneli Bialek. Im Hafengelände wurde das Team fündig und konnte einen 20-Fuß-Seecontainer organisieren, der schon für den Schrottplatz gedacht war. „Da der Boden in Gambia sehr sandig ist, mussten wir dann noch eine Bodenplatte als Fundament herstellen, damit der Container auch in der Regenzeit sicher steht“, ergänzt Ralf Kuder. Einheimische halfen spontan dabei, auch beim Transport des Containers mit einem Lastwagen.

Zwischenzeitlich hat Ralf Kuder zusammen mit seiner Tochter und afrikanischen Kindern schon einmal Mosaike für die Wände gestaltet. Zudem wurde eine alte Tuk-Tuk-Autorikscha aufgetrieben, die zum Wipptier umfunktioniert wurde. Das Interesse der gambischen Schüler stieg von Tag zu Tag. „200 Kinder waren immer auf der Baustelle, wollten alles anfassen und mithelfen“, erinnert sich Anneli Bialek. „Eltern haben wir nie gesehen. Dafür Sechsjährige, die ihre jüngeren Geschwister auf dem Arm getragen haben.“ Für die Namél-Vorsitzende Fatou N’Diaye-Pangsy ist das nicht erstaunlich: „Es ist in Gambia normal, dass die älteren Kinder auf ihre Geschwister aufpassen, während die Eltern arbeiten.“

Schüler pflanzen Bäume auf dem Gelände

Auf dem Schulgelände wohnen indes auch Scouts, das sind Schüler, die keine Familie mehr haben. Sie erledigen Hausmeisterarbeiten rund um die Schule und pflanzten nun auf dem neuen Spielplatzgelände Bäume, damit der Platz auch beschattet wird. Inzwischen hat das Namél-Team Teile der Containerwände aufgeschnitten. Die von deutschen Firmen gespendeten zwei Nestschaukeln, Rutsche und Klettergerüst wurden angebracht. „Wir mussten eine stabile Stahlkonstruktion bauen, denn Holz wird in Gambia schnell zu Termitenfutter“, erklärt Kuder. Das passende Stahlmaterial hatte Kuder zufällig auf einem Schrottplatz in Gambia entdeckt und konnte es dem Schrotthändler nach längerer Diskussion abkaufen. „Als die erste Schaukel stand, wurde sie sofort von 30 Kindern belagert“, erzählt er und ist froh, eine stabile Stahlkonstruktion gebaut zu haben. „Die Schaukel wäre sonst sofort kaputt gewesen.“

Lehrer verdient 70 Euro im Monat

Den Gästen aus Nürtingen fiel in Bakoteh auf, dass jede Menge abgefahrene Autoreifen herumliegen, die dort nicht entsorgt werden können. „Für den Spielplatz ist das ein super Material, als Fenster für den Container und für die Kletterobjekte.“ Binnen zwei Wochen wurde der Spielplatz-Bau mit Arbeit vom frühen Morgen bis zum Abend durchgezogen. „Es hat reibungslos geklappt“, freut sich Ralf Kuder. „Auch weil Kalifa immer gleich Ideen hatte, wo wir das noch fehlende Material bekommen können.“

Um das Material vor Ort transportieren zu können, wurde in Gambia für 5000 Euro ein gut erhaltenes gebrauchtes Auto angeschafft. In der Rechnung von Fatou N’Diaye-Pangsy kommen ansonsten rund 10.000 Euro für das Spielplatz-Material zusammen. „Die Flüge haben natürlich alle Ehrenamtlichen selbst bezahlt“, versichert die Namél-Vorsitzende. „Nun benötigen wir noch 2000 Euro für die von der Gemeinde geforderte Umrandung des Spielplatzes mit Mauern.“

Anneli Bialek und Ralf Kuder fragen sich heute noch, wie die Menschen in Gambia mit ihrem Geld auskommen. Lebensmittel, Material und Benzin seien dort nicht erheblich günstiger als in Deutschland. Ein Lehrer verdiene jedoch nur zwischen 70 und 100 Euro im Monat.

In Bakoteh freuen sich nicht nur die Kinder über den einzigen öffentlichen Spielplatz im Ort, der kostenfrei benutzt werden darf. „Auch der Rektor der Schule findet es sehr toll, dass wir den gebaut haben“, hat Fatou N’Diaye-Pangsy bei einem Telefonat mit dem Schulleiter erfahren.

Nun wird ein Spielplatz in Nürtingen umgebaut

„Dass jemand in Gambia für Kinder einen öffentlichen Spielplatz baut, war für die Schüler unvorstellbar“, hat Anneli Bialek bei ihrem Besuch in Bakoteh festgestellt. Zwar gibt es private Spielplätze. Für die Benutzung muss jedoch eine Gebühr bezahlt werden.

Und was machen Anneli Bialek und Ralf Kuder nach ihrer Rückkehr in Nürtingen? Sie bauen gerade schon wieder an einem Spielplatz mit – diesmal am Nürtinger Steinachdreieck unweit des Stadtbalkons.

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