NECKARTENZLINGEN. „Wir steuern auf eine gesellschaftliche Katastrophe zu. Digitale Medien machen unsere Kinder dümmer und lassen sie psychisch krank werden“. Diese Erkenntnis wird nach Auffassung der Neurobiologin Prof. Dr. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt durch wissenschaftliche Befunde ganz eindeutig belegt. Die Schädigung von Kindern und Jugendlichen durch die Nutzung digitaler Medien geschehe, weil die natürlichen Reifungsprozesse im heranwachsenden Gehirn gestört, behindert oder ganz verhindert würden, sagte die Referentin bei ihrem aufsehenerregenden Vortrag am vergangenen Donnerstag vor mehr als 50 Gästen der Gesellschaft „InfoMobilFunk“ in Neckartenzlingen.
Zu den vielen wissenschaftlichen Belegen, auf die sie hinwies, gehörte eine Untersuchung von Neunjährigen, bei der herauskam, dass jene, die schon ein Smartphone nutzen, ein deutlich schlechteres räumliches Vorstellungsvermögen, ein schlechteres Zeitgefühl und ein schlechteres Erinnerungsvermögen haben, als jene, die kein Smartphone nutzen. Die Smartphone-Nutzer und -Nutzerinnen konnten das Wort „Schneeballschlacht“ nicht wie von den Prüfern gewünscht, in vorgegebenen, unterschiedlichen Rechtecken jeweils fehlerfrei und komplett eintragen, während die anderen dies durch Anpassung der Schriftgröße und der Schriftdichte jeweils geleistet haben. Dies ist nach Teuchert-Noodt ein klarer Beleg dafür, dass der zu frühe Umgang mit Smartphones die Entwicklung der Intelligenz beschränkt. Die Wissenschaftlerin hat früher die Bereiche Neuroanatomie und Humanbiologie an der Universität Bielefeld geleitet. Eine Generation, die mit dem Smartphone aufwächst, könne auch die Künstliche Intelligenz (KI) nicht kritisch bewerten und sei ihr in gefährlicher Weise ausgeliefert.
Digitale Medien bei Kindern stören nach den Erkenntnissen der heutigen Neurowissenschaftler nicht nur die Entwicklung des Geistes, sondern auch die körperlichen Fähigkeiten zur Bewegung, etwa den Gleichgewichtssinn, sowie den sinnvollen Umgang mit Emotionen. Es sei absolut notwendig, dass Kinder spielerisch, körperlich und im sozialen Kontakt mit anderen viele Erfahrungen machen, die im Gehirn gespeichert werden und stufenweise zur Vernunft und zum „Erwachsensein“ führen. Wenn sie etwa balancieren lernen, dann lernten sie auch Hemmungen zu überwinden und sich Mut, Kräfte, Raumgefühle und Erfolgserlebnisse anzueignen. Wenn sie dagegen nur mit dem Finger über ihr Smartphone streichen, würde die Entwicklung ihres Gehirns gebremst oder gar verfälscht, weil vieles nur oberflächlich zur Kenntnis genommen und im Gehirn nicht nachhaltig genug gespeichert werde. Dies führe zu anhaltenden geistigen Defiziten und befördere viele Ängste. Angst und Depression seien etwa in den USA seit 2008 dramatisch angestiegen. Und Menschen in aller Welt könnten zunehmend „von außen manipuliert“ werden.
Vernunft, Verantwortung und Kompetenz seien drei Eigenschaften des Menschen, die seine Persönlichkeit prägen, die aber alle erst einmal reifen müssten.