Licht der Hoffnung

Ein musikalischer Friedenskuss

Licht der Hoffnung: Der musikalische Trialog dreier Weltreligionen in der Martinskirche in Neckartailfingen brachte Freude ins Herz

Hans-Joachim Dumeier – Fotos: jg

„Juden, Moslems und Christen – die können einfach nicht miteinander“: So lautet ein weit verbreitetes (Vor-)Urteil. In der altehrwürdigen Martinskirche zu Neckartailfingen wurde am Samstagabend indes der Gegenbeweis angetreten: Das zweite Konzert des Festivals der Hoffnung unter dem Motto „Kirche, Synagoge und Moschee“ riss wohl alle mit, die dabei waren.

„So einfach kann alles sein“, schoss es einem während dieser beeindruckenden zwei Stunden immer wieder durch den Kopf. Die Klarinettistin Irith Gabriely, die aus Haifa stammt, der Percussionist Riad Kheder mit Wurzeln in Bagdad und der Michelstädter Bezirkskantor Hans-Joachim Dumeier an der Orgel ließen ihr Publikum in dem 900 Jahre alten Gotteshaus, in dem kein Plätzchen mehr frei geblieben war, eine musikalische Ringparabel erleben, bei der man wie in Lessings „Nathan der Weise“ keine Unterschiede mehr zwischen dem angeblichen Original und den vermeintlichen Kopien festzustellen vermochte. Aber umso intensiver spürte, dass die Musik ein Geschenk Gottes ist.

Und zwar eines, das die Menschen verbindet, alles Trennende überwindet, das Herz öffnet und es so sehr weitet, dass Grenzen nicht nur unwichtig werden, sondern verschwinden und das was im Vorhinein unvereinbar schien zu einer Einheit geraten lässt.

Das Publikum komplettierte das musikalische Glücks-Kleeblatt

Denn eins hebt dieses unter die Haut gehende Konzert, das die Nürtinger Filiale der Baden-Württembergischen Bank möglich gemacht hat, weit über die meisten, ja fast alle Projekte dieser Art hinaus: Dass eben nicht jeder sein Ding macht und die beiden anderen dann jeweils Statisten sind, sondern dass die musikalischen Traditionen miteinander verschmelzen – und zwar so intensiv und mit solcher Leichtigkeit des Spiels, dass es den Zuhörern vorkommt, als sei just dies nicht etwas Besonderes, sondern das Natürlichste der Welt.

Und das liegt ganz sicher auch an den drei Künstlern, die offenkundig eine tiefe Sympathie füreinander empfinden, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen Kulturen kommen – und das ist nicht nur musikalisch gemeint. Vom ersten Stück an lassen sie einen spüren, dass es hier um die Freude an der Musik, die Freude aneinander und die Freude miteinander geht. Und zwar nicht nur im „Innenverhältnis“, sondern auch, was die Beziehung zwischen den Akteuren und dem Publikum anbelangt.

Dieser Abend war nicht nur ein Trialog der Weltreligionen (wie es im Untertitel hieß), er erweiterte sich quasi zum Tetralog – das Publikum komplettierte dieses musikalische Glücks-Kleeblatt.

Man muss da keineswegs in Ehrfurcht erstarren vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und der Gewalt auf dieser Erde – nein, man kann sich da vom ersten Moment an dem Zauber des Friedens hingeben, der einen umfängt, wenn man ihm einfach mal eine Chance gibt.

Gerade Irith Gabriely ist es, die den Betroffenheits-Bann bricht, indem sie mit ihrer Herzensfröhlichkeit immer wieder sich selbst und auch so manche jüdische Tradition auf die Schippe nimmt – und gerade dadurch dem echten Interesse aneinander die Bahn bereitet.

Und darüber hinaus sind alle drei einfach fantastische Musiker: Keinen dürfte es mehr wundern, dass Irith Gabriely der Titel „Queen of Klezmer“ zuerkannt wurde. Aber auch mit dem Saxophon kann sie es krachen lassen, und mit dem Schofar, dem seit Jahrtausenden den Juden heiligen Instrument, entführte sie einen in ganz andere Klangwelten.

Riad Kheder entpuppte sich als Percussionist der Spitzenklasse, der sowohl mit dem Bendir (der Rahmentrommel) als auch mit dem Riqq (dem Tamburin) und der Darabouka (der Bechertrommel) ein Feuerwerk der Rhythmen zu entfachen versteht, auf der anderen Seite auch zutiefst meditativ zu spielen vermag, sodass unweigerlich die Herzensruhe in einem einkehrt. Einfach klasse auch sein Solo mit der Oud, bei dem man nur so staunte, was der gebürtige Iraker aus der arabischen Laute herauszuholen vermag.

Hans-Joachim Dumeier wiederum zog an der Orgel buchstäblich alle Register, holte aus ihr wohl alles heraus, was sie zu geben in der Lage ist, ließ geradezu körperlich spüren, wie modern ein Instrument zu sein vermag, das oftmals zu Unrecht als antiquiert diffamiert wird: Johann Sebastian Bachs „Wohl mir, dass ich Jesus habe“ als Blues – das hatte wahrlich was. Und auch er hob die Grenzen auf: Wer ist eigentlich auf die komische Idee gekommen, dass eine Orgel nicht zu Melodien aus dem Orient passt?

Abrahamische Ökumene konnte man an diesem Abend regelrecht sinnlich genießen. Dass die Musiker immer wieder durch die ganze Kirche unterwegs waren, war nur vordergründig der Tatsache geschuldet, dass in Neckartailfingen die Orgel über dem Eingangsportal hängt und die Zuhörer auf den Altar blicken. Es war auch ein wunderschönes Symbol – für das miteinander unterwegs sein auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel. Der musikalische Friedenskuss, den Irith Gabriely, Riad Kheder und Hans-Joachim Dumeier ihrem Publikum schenkten – er dürfte für viele unvergesslich bleiben.

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