Nürtingen

„Ich und die Walter Boys“: Herzschmerz und eine geballte Ladung Bruderstress

Netz G’schwätz: Die Serie „Ich und die Walter Boys“ steht seit Wochen auf den vorderen Plätzen der Netflix-Charts. Die Buchverfilmung eignet sich perfekt für dunkle Winterabende. Man sollte aber die Handlung nicht so genau hinterfragen, meint unser Redakteur.

Willkommen im neuen Zuhause in Colorado: George kümmert sich um die Koffer von Jackie. Foto: Neflix

NÜRTINGEN. Ein Autounfall macht Jackie Howard (Nikki Rodriguez) zur Waisen. Auch ihre Schwester stirbt bei dem Unglück. Das Organisationstalent, das unbedingt auf die Elite-Universität Princeton will, ist ein echtes New-Yorker Stadtmädel. Doch damit ist es nun vorbei, als Vormund wurde mit Katherine Walter (Sarah Rafferty) die beste Freundin der Mutter eingesetzt. Diese lebt mit ihrem Mann George (Marc Blucas) und zehn Kindern, zwei davon sind Neffen ihres Gatten, im ländlichen Colorado. Die Männerquote ist extrem hoch, mit Parker gehört nur ein Mädchen der Walter-Familie an. Diese spielt aber lieber mit dem Football als mit Puppen.

Es ist also angerichtet, für das Klischee Großstadt trifft auf ländliche Idylle. Aber so einfach macht es sich die Netflix-Serie nicht, die auf dem gleichnamigen Buch von Ali Novak basiert. Die Coming-of-Age-Geschichte belegt seit einigen Wochen in der Hitliste des Streaming-Anbieters einen der vorderen Plätze.

Die Farm ist bankrott, beim Traumpaar kriselt es

Doch was taugt die Geschichte um Jackie eigentlich, die sich zu den Brüdern Cole und Alex hingezogen fühlt? Es verwundert zu Beginn doch ein wenig, dass die 15-Jährige nach einem solchen Schicksalsschlag offenbar keine Therapie benötigt. Klar, sie ist taff, aber auch die Erwachsenen scheinen sich darüber keine Gedanken zu machen. Bei zehn Kindern verliert der Seriengucker schnell den Überblick, einige Charaktere bleiben etwas blass. Vielleicht hätte da etwas mehr Zeit gutgetan, um die Figuren zu entwickeln. Die Haupthandlung ist das Dreiecksverhältnis zwischen Jackie, Cole (Noah LaLonde) und Alex (Ashby Gentry). Cole, der Draufgänger, der seine Football-Karriere nach einer Verletzung an den Nagel hängen muss, und Alex, der Introvertierte, der gern zockt und Chancen auf eine Reitkarriere hat. Dass es da noch eine Vorgeschichte gibt, wird schnell klar. Doch es gibt noch andere Handlungsstränge. Die Farm steht vor dem Bankrott und das Traumpaar Will Walter (Johnny Link) und Hayley Young (Zoë Soul) erlebt eine Krise. Wenn man will, ist es so eine Art Ausflug in die Erwachsenenwelt. Es zeigt, dass das Leben auch später nicht einfacher wird.

Nur ein müder Abklatsch einer Amazon-Reihe?

Es darf natürlich auch geschmunzelt werden. Insgesamt handelt es sich um eine Serie fürs Herz, die sich für dunkle Winterabende perfekt eignet. Mancher Kritiker sieht „Ich und die Walter Boys“ als müden Abklatsch der Amazon-Reihe „Der Sommer, als ich schön wurde“, von der es schon zwei Staffeln gibt. Aber dafür müsste man diese auch gesehen haben und ganz ehrlich, die Unterschiede sind durchaus da. Den Netflix-Machern wird es ohnehin egal sein, schließlich hat die Buch-Adaption offenbar den Nerv der Kunden getroffen, was vielleicht auch an der jungen Hauptdarstellerin liegt. Eine Frage stellt man sich aber doch: Wann hat eigentlich die Tierärztin Katherine mit dem Kinderkriegen angefangen? Offenbar ziemlich früh. Mittlerweile soll eine zweite Staffel bereits fix sein. Das ist auch bitter notwendig, soviel sei verraten: Das Ende lässt viele Fragen offen.

Beste Szene: Hayley überredet Will zu einem schicken Essen in einem Restaurant, weil sie sich in letzter Zeit zu wenig gesehen haben. Der freilich kommt gar nicht zum Essen, weil er sich lieber Tipps vom Restaurantchef, der ein alter Studienkollege ist, geben lässt. Zu Hause führt sein erster Gang zum Kühlschrank und der Haussegen hängt schief.

Seltsamster Charakter: Jordan Walter (Dean Petriew) sieht man immer nur mit seiner Videokamera.

Lieblingsrollen: Katherine Walter und die Dauerquasslerin Grace (Ellie O`Brien)

„Ich und die Walter Boys“ läuft seit 7. Dezember auf Netflix.

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