Licht der Hoffnung
In der Welt zu Gast, in Nürtingen zu Hause
Licht der Hoffnung: Michael Jelden, Elena Cheah und Fabiana Biasini ließen ihr Publikum spüren, wie schön Klassik sein kann
Und der Himmel hing voller Geigen. Und voller Celli. Und voller Klaviere. Denn „Wie im Himmel“ (um den Titel eines legendären skandinavischen Films zu bemühen) kam man sich vor, als Fabiana Biasini (Klavier), Elena Cheah (Cello) und Geiger Michael Jelden am Freitagabend in der Rudolf-Steiner-Schule die Nürtinger verzauberten.
NÜRTINGEN. Dieses Erlebnis (denn dieser Abend war mehr als ein Konzert) hatte die Nürtinger Filiale der BW-Bank dem Publikum geschenkt. Die gut zwei Stunden wird keiner so schnell vergessen. Sie führten einem vor Ohren und Augen, wie schön Klassik sein kann. In doppelter Bedeutung – akustisch wie optisch.
16 Jahre standen Fabiana Biasini und Michael Jelden nicht mehr gemeinsam auf der Bühne – die Irrungen und Wirrungen des Lebens hatten dafür gesorgt. Für „Licht der Hoffnung“ hatten sie sich wieder einmal zusammengetan – und sie harmonierten so, als ob erst am Tag zuvor ihr letztes gemeinsames Konzert stattgefunden hätte.
Der Hochgenuss war noch intensiver, weil mit Elena Cheah eine Virtuosin mit von der Partie war, die sich schon lange ebenfalls in die Herzen der Nürtingen gespielt hat. Da leuchtete ein Dreigestirn begnadeter Kunst, das seinesgleichen suchte. „Was ist denn da los?! So was hab ich überhaupt noch nie erlebt! Die sind besser denn je!“ – diese und ähnliche Sätze hörte man man immer und immer wieder. Es war ein Abend, der wohl alle, die dabei waren, reich machte. Reich im Herzen. Und das ist der wahre Reichtum. Eine andere Deutung ließen die Jubelstürme nicht zu.
Eine musikalische Wundertüte hatten die drei mit auf den Lerchenberg gebracht. Kein 08/15-Programm, das man im Grunde an allen Ecken und Enden dieser Erde erleben kann. Sondern etwas Besonderes. Etwas, was man guten Freunden schenken möchte, weil man mit ihnen viel Schönes verbindet.
Russisches, Ungarisches, Polnisches, Spanisches und Argentinisches – eine Jonglage der Musik konnte man hier erleben und genießen. Welcher „Ball“ da auch gerade durch die Luft wirbelte – man kam aus dem Staunen und der Begeisterung nicht mehr heraus.
Michael Jelden, der eine Woche zuvor seine letzte Prüfung als Arzt (erfolgreich) abgelegt hatte, lief (und das gehört bei ihm schon zu Nürtingen) zu alter Hochform auf, zupfte, streichelte, klopfte sein Instrument, dehnte die Töne manchmal ins Unendliche und forcierte dann das Tempo wiederum so, dass man mit den Augen nicht mehr nachkam. Und immer wieder streute er Gustostückerl der Salonmusik ein (wie zum Beispiel seine unglaublichen Vogelstimmen-Imitationen). Ja, auch der Schmelz und der Schmalz haben bei ihm ihren Platz. Gottseidank. Jelden ist mehr als ein Geiger von Weltrang, er ist auch ein Entertainer vom Feinsten. Und würde das deutsche Bildungsbürgertum ob der Wortwahl nicht entsetzt aufschreien, wäre man fast geneigt, von einer „Rampensau der Klassik“ zu reden.
Was das künstlerische Format anbelangt, stehen ihm die beiden anderen auf der Bühne freilich in nichts nach.
Der Platz reicht nicht aus, um so von der Kunst Elena Cheahs und Fabiana Biasinis zu schwärmen, wie es den beiden eigentlich gebührt. Manuel de Fallas „Suite Populaire Espagnole“ hoben die beiden zum Beispiel über die Ebene des puren Musikstücks hinaus, machten die Lieder, die sich um gebrochene Herzen drehen, zur Inszenierung, bei der die Fetzen der enttäuschten Liebe flogen.
Und bei Pablo Sarasates „Zapateado“ flogen die Finger in irrwitziger Geschwindigkeit, dennoch saß jeder Griff: Es riss einen mit, es zog einen hoch – und das nicht nur körperlich, wo man sich am liebsten in den Taumel eines spanischen oder mexikanischen Volksfestes hineinbegeben und losgetanzt hätte.
Sondern auch innerlich. denn es wurden einem an diesem Abend gleich einige dieser Momente geschenkt, in denen das Herz plötzlich leichter schlägt und die Seele ihre Flügel ausbreitet. Und spürt, dass sie fliegen kann.
Konzerte mit diesen dreien – sie kommen eben ohne emotionale Momente nicht aus. Und das ist auch gut so. Einer davon war, als Fabiana Biasini davon erzählte, dass sie vor 20 Jahren zum ersten Mal nach Nürtingen kam – und wie gut ihr jeder einzelne Besuch im Herzen getan hatte. Da war sie den Tränen nah. und man spürte: Die drei haben ihren Weg gemacht.
Sind auf den großen Bühnen dieser Welt zu Gast. Aber in Nürtingen – da sind sie zu Hause.