Licht der Hoffnung

Kreuzfahrt in die Seligkeit

Licht der Hoffnung: Annette Postel, Jan Röck und das Philharmonische Quartett München gestalteten ein prickelndes Finale

Mal mit Jazzpianist Jan Röck ...

Lust am Untergang? Nicht jedermanns Sache vielleicht. Wenn man ihn indes so zelebriert wie Annette Postel und ihre Freunde am Samstagabend beim Finale der 22. Auflage unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ im Großbettlinger Sportforum, dann kann der Untergang zum prickelnden Vergnügen werden. Und sogar die Lachmuskeln strapazieren.

Dank der Unterstützung der Volksbank Hohenneuffen konnten unsere Leser eine Revue erleben, die sonst auf Bühnen in München oder Baden-Baden zu sehen ist: Nicht nur der „Champus violett“ perlte da auf der „Titanic 2“ (so der Untertitel) im Glas, sondern ein Cocktail aus Sehnsucht, Melancholie, Hochmut, Übermut, Fröhlichkeit und Ausgelassenheit nahm einen da gefangen.

Und man bedauerte es, dass die Kunstform der Revue seit ihrer Glanzzeit vor fast hundert Jahren so ins Hintertreffen, ja fast in Vergessenheit geraten ist. Doch Annette Postel, die eine Reinkarnation der großen Diseusen der wilden 20er-Jahre zu sein scheint, Jan Röck, der am Yamaha-Flügel brillierte, den das Unternehmen einmal mehr unserer Aktion zur Verfügung gestellt hatte, und das Philharmonische Quartett München, das in allen Sätteln der Streichmusik gerecht ist, erweckten sie wieder zum Leben. Ja: Sie hauchten der guten alten Revue sogar neues Leben ein.

In alle Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins konnte man da dank dieser grandiosen Akteure auf dieser Tour durch die großen Jahre des deutschen Chansons eintauchen, sich selbst und Ereignisse des eigenen Lebens darin entdecken, um sich dann entweder der Wehmut, der Sehnsucht oder dem Lachen darüber hinzugeben.

Dass dieses Programm die Balance zwischen Fröhlichkeit und Tristesse nie verliert, dass es diesen Spagat zwischen den Extremen der Musik und des Daseins durchgängig aushält, ohne dass je ein Bruch entstünde – vermutlich ist es das, was seinen Zauber ausmacht. Einen Zauber, der von Nummer zu Nummer nie an Glanz verliert, sondern immer mehr an Kraft gewinnt.

... mal mit dem Philharmonischen Quartett München: Annette Postel erwies sich beim Finale von „Licht der Hoffnung“ als hinreißende Künstlerin. Fotos: Gauß

Und man kann gar nicht anders als der Magie einer Zeit zu erliegen, in der das deutsche Chanson eben nicht nur ein Nischenprodukt war, das man sich ab und an gönnt, um höchstselbst irgendwie intellektuell zu wirken. Das Niveau dieser Texte und Kompositionen wird einem vielleicht erst dadurch bewusst, dass es weitgehend verloren gegangen ist. Was heute als Ausnahme gilt, war früher pure Normalität.

Die heute noch ihre Wirkung zu entfalten vermag, wenn man sie wie Annette Postel auch ins 21. Jahrhundert „übersetzt“. Einfach unnachahmlich, weil sie dies nicht nur mit ihrer herrlichen Stimme schafft. Sondern auch Mimik und Gestik einsetzt. Und buchstäblich mit Leib und Seele dabei ist. Sich ganz Musik und Text hingibt – und ihr Publikum just dadurch mitreißt.

Ihr Loblied auf den „Neandertaler“ lässt einen an die Bodybuilder von heute denken, in Liedern wie „Ich lass mir meinen Körper schwarz bepinseln“ lebt eine freche Erotik, „O Donna Clara“ wird zum herrlichen Klamauk, weil sie einen „Grammophon-Effekt“ mit einbaut, bei dem die Nadel mal hängt, mal wegen des Handbetriebs mal viel zu langsam und dann wieder viel zu schnell unterwegs ist.

Diese Revue verharrt allerdings nicht (wie so manch andere Programme dieser Art) beim puren oberflächlichen Blödsinn. Vieles geht in die Tiefe, manches regelrecht unter die Haut. Und zwar gerade die Chansons, die vom Scheitern auf jenem Feld erzählen, das für wohl jeden das wichtigste im Leben ist: der Liebe. Da kann wohl jeder mitreden und mitfühlen. Und seiner eigenen Sehnsucht nachspüren und in ihr schwelgen. Denn: „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück, und ich träum’ davon in jedem Augenblick.“

Gerade auf diese Traumreise nahmen einen Annette Postel und ihre Freunde mit. „Für eine Nacht voller Seligkeit, da geb ich alles hin“ – auch dieser Ohrwurm erreichte mehr als die Ohren der Zuhörer. Selbst wem keine solche Nacht beschieden sein sollte: Diese Kreuzfahrt in die Seligkeit konnten wohl alle mit allen Sinnen genießen. Und sie ließ sie beschwingt nach Hause gehen.

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