Licht der Hoffnung

Pfeffertagswiegen bleibt auf Kurs

Licht der Hoffnung: Ungünstiger Termin, ungünstiges Wetter – dennoch stiegen in Neuffen gestern 231 Leute auf die Waage

Enormen Andrang erlebte gestern wieder das Neuffener Pfeffertagswiegen zu Gunsten unserer Aktion „Licht der Hoffnung“. Auf dem Siegerfoto rahmen Rolf Krieg vom Forum Handwerk (links) und Chef-Waagmeister Willy Heinickel (rechts) die Sieger der 20. Auflage ein: Sylvia Heermann, Dirk Maier, Doris Berka, Thomas Henzler, Alois Kreppenhofer und Helmut Hippler. Fotos: jg

Nürtingen überlegt sich, ob es eine uralte Tradition abschaffen soll – in Neuffen boomt derweil eine relativ junge Tradition: Zum 20. Mal stieg dort gestern die große Gaude des Pfeffertagswiegens. Und einmal mehr strömten die Menschen nur so zur Veranstaltung zu Gunsten unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ herbei. Trotz Sonntags und eher unwirtlichen Wetters.

Ausgerechnet zu Beginn des Pfeffertagswiegens schneite es im Täle heftig. Und so konnte man annehmen, dass es sich viele lieber zu Hause hinter dem warmen Ofen gemütlich machen würden, als sich durch das Schneetreiben zu kämpfen. Doch weit gefehlt – der Rekord aus dem Jahre 2012 mit 251 Teilnehmern wurde gerade mal um 20 Personen verfehlt.

Und wenn man berücksichtigt, dass es auch noch ein Sonntag war, dann ist eins ganz gewiss: Das Neuffener Pfeffertagswiegen bleibt auch unter den Fittichen des Forums Handwerk (das nun schon seit fünf Jahren nicht nur toll Regie führt, sondern auch tatkräftig Hand anlegt) auf Kurs. Es ist nach wie vor das wichtigste Bürgertreffen zwischen den Jahren im Kreis Esslingen.

Und so wurden denn auch die von Chef-Waagmeister Willy Heinickel, der bei seiner wie immer peniblen Buchführung von seiner Assistentin Angela Hartmann brillant unterstützt wurde, zu Siegern Ausgerufenen heftig umjubelt: Sylvia Heermann beanspruchte mit 46 Kilo einmal mehr die Waage am wenigsten, ihr männlicher Gegenpol war Dirk Maier mit stattlichen 124,5 Kilo.

Doris Berka reiste mit ihrem Mann Franz am weitesten an – nämlich sogar vom Züricher See. Thomas Henzler legte mit zwölf Kilo am meisten zu (auf jetzt 103,5), Alois Kreppenhofer schaffte es nun schon drei Jahre hintereinander, die Waage auf 96,5 Kilo stehenbleiben zu lassen. Helmut Hippler nahm die Sieger-Flasche Sekt stellvertretend für einen anonym bleiben wollenden Zeitgenossen entgegen, der mit 15 Kilo das größte Minus auf die Waage brachte.

Das Lob für einen Politiker verkündete Herold Heinickel besonders lautstark: Michael Hennrich sei ein Stammgast – und sei auch dieses Jahr gekommen, auch wenn keine Wahl anstehe (übrigens als einziger seiner Kollegen aus Bundes- und Landtag, auch Ex-MdL Jörg Döpper fehlte).

Für den Christdemokraten war das eine Selbstverständlichkeit. Obwohl er an einer Kleinigkeit zu knabbern hatte – mit 88,9 Kilo brachte er sage und schreibe 400 Gramm mehr auf die Waage als im Jahr zuvor: „Das liegt nur an den Winterstiefeln“, erklärte er. Haderte aber zugleich mit der Ernährungs- und Sportwissenschaft: „Ich habe vorhin nachgerechnet – 2014 bin ich insgesamt 1740 Kilometer gejoggt.“

„Ich habe zu Hause keine Waage. Neuffen ist für mich die einzige Chance zur Gewichtskontrolle“

Ilona Koch, Kreisrätin, Echterdingen

Und was soll daran ärgerlich sein? „Die reine Lehre ist, dass man pro 80 Kilometer Joggen ein Kilogramm Fett verliert. Also müsste ich jetzt nur noch 67 Kilo wiegen. Irgendwas kann an der Rechnung nicht stimmen.“ Aus der Diskrepanz zwischen seinem quasi unveränderten Gewicht und der Fitness-Philosophie leitet er aber auch Positives ab: „Die Große Koalition sorgt für stabile Verhältnisse. Und sie bewegt sich doch.“ Das wolle er auch weiterhin tun: in Berlin entlang der Spree und im Tiergarten, daheim in Kirchheim auf der Hahnweide.

Dem strengen Urteil von Waagmeister Martin Herr stellten sich zum Beispiel Bürgermeister Matthias Bäcker, dessen Kreistags-Kollegin Ilona Koch und Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich (von links). Allen dreien reichte es indes nicht auf das Siegerfoto.

Seine Parteifreundin Ilona Koch kommt nun auch schon fünf Jahre in die Stadt unter der Festung: „Zu Hause hab ich nämlich keine Waage. Das Pfeffertagswiegen ist für mich die einzige Chance, mein Gewicht zu kontrollieren.“ Die Unternehmerin aus Leinfelden-Echterdingen, auch in der CDU-Frauen-Union engagiert, ist stark genug, aus ihrem Gewicht keinen Hehl zu machen: Sie hat knapp zwei Kilo zugelegt – auf nun 69,5.

Zum Silvesterwiegen kommt sie aber auch, „weil ich als Kreisrätin den ganzen Landkreis kennenlernen möchte“. Und seit Kurzem hat sie da ja einen Kollegen im Esslinger Parlament: Neuffens Bürgermeister Matthias Bäcker. Im Vergleich zum Vorjahr zeigte die Waage bei dem ein Kilo mehr an. Der Schultes wandte zwar zunächst die 08/15-Ausrede „zu schwere Schuhe“ an, räumte dann aber ein: „Das Weihnachtsessen war einfach zu gut.“

Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: Er hatte es selbst gekocht. Und was denn? „Rinderfilet mit Trüffelsauce, Bratkartoffeln, Lauchzwiebeln, Cocktail-Tomaten und Baby-Kartoffeln.“ Mit dem einen Kilo Plus kann er nun also gestärkt (seit Amtsantritt sind es laut Ober-Statistiker Heinickel sogar 3,5) in seine zweite Hälfte seiner Zeit als Rathaus-Chef gehen. Und sich dann der Wiederwahl stellen.

Heftig vermisst wurde allerdings Kappishäuserns Ortsvorsteher Dietmar Freudenberg. Dass er nicht erschien, wäre im Prinzip eine kräftige Rüge wert. Aber er fand durchaus seine Verteidiger: „Vermutlich ist Kappis eingeschneit und er kommt nicht raus.“ Hätte ja zumindest sein können.

Aber auch so gab es eine Menge Pfeffertags-Fans, die sich den Wiege-Teams (Gerhard Schall und Monika Gugel auf der rechten, Martin Herr und Beate Krieg auf der linken Seite) stellten.

Zum Beispiel Richard Haußmann, der Naturschutzwart des Teck-Neuffen-Gaus des Schwäbischen Albvereins, dem seit zehn Jahren als Nachfolger von Walter Wahl die Pflege der Neuffener Heide ein Herzensanliegen ist. Das tut ihm offensichtlich gut: Seit einem Jahrzehnt pilgert er auch zum Pfeffertagswiegen – „und mein Gewicht ist seither fast auf einer Linie geblieben“. Die zeigt die Marke „84 Kilo“ an. Nicht nur das motiviert ihn: „Unser letzter Einsatz war gewaltig aufbauend. Da haben wir 30 Helfer gehabt.“

Vielleicht lag es daran, dass er seinen Sohn Jörg, seines Zeichens Vertrauensmann der Oberboihinger Albvereins-Ortsgruppe und seit Kurzem auch Vize-Gauvorsitzender, als „Frischling“ zum Pfeffertag mitgebracht hatte. Und der fühlte sich gleich pudelwohl, obwohl (oder weil?) er den Herrn Papa um neun Kilo übertroffen hatte: „Ich hoffe, dass es mir künftig öfter reicht“, sagte der Schornsteinfegermeister. Als Glücksbringer würde er ja auch jeden Fall zum Pfeffern prima passen.

Neuffens Schultes als Gourmet-Koch: Rinderfilet mit Trüffelsauce

Stabilität ist für Andreas Kudermann wichtig – in der Luft muss der Lufthansa-Pilot seine Maschine auf Kurs halten. Auf der Waage hatte er nun indes einen kleinen Absacker – von 79 („Das hatte ich zehn Jahre lang“) auf 77 Kilo. „Anscheinend tut es mir nicht gut, wenn ich über Weihnachten schaffen muss“, mutmaßte er. Es war ja für ihn auch schon heftig: Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte er noch in Oslo übernachtet – minus 25 Grad hatte es da draußen. Und als jetzt der Winter kam, musste er von Hamburg nach Stuttgart – und heimste drei Stunden Verspätung ein. Nicht gerade stressfrei.

Das galt auch für seinen Vater Dieter, der als rühriger Stadthallenwirt die Gaude vor 20 Jahren ins Leben gerufen hatte. Schon vor Wochen hatte er (der jetzt als „Schultes“ von Kohlberg fungiert) am Telefon eine Reservierung für „Sonntag nach Weihnachten“ angenommen – und spontan zugesagt, ohne dass der Terminkalender danebenlag. Diese Gedankenlosigkeit brachte ihn gewaltig in die Bredouille. Aber er meisterte die Situation brillant: Um 11 stieg er in Neuffen auf die Waage, brauste dann unter den Jusi, kochte – und war zur Siegerehrung wieder da. Hut ab! So was ist ein echter Pfeffertags-Wieger. Um der Chronisten-Pflicht genüge zu tun: Er wog 89 Kilo.

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