Nürtingen
So lief der Auftakt von „Sag mal, hör mal“ im Café Male in Nürtingen
Woran liegt es, dass der Zusammenhalt in der Stadt schwindet? Und wie gelingt es, dem entgegenzuwirken? Soziale Vernetzung war eines vieler Themen zur Premiere des neuen Gesprächsformats von Volkshochschule und Nürtinger Zeitung, die die Gäste umtrieben.
NÜRTINGEN. Wozu braucht es ein weiteres Gesprächsformat? Sind es nicht ohnehin immer dieselben Personen, die zu Wort kommen? Um das zu ändern, riefen die Volkshochschule Nürtingen und die Nürtinger Zeitung eine neue Bürgergesprächsrunde ins Leben. Zum Auftakt der Reihe „Sag mal, hör mal“ hatten die Moderatoren Rainer Nübel, Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Fresenius Hochschule in Heidelberg, und Kai Müller, Redaktionsleiter der Nürtinger Zeitung, ins Café Male geladen.
„Heute wollen wir Bürger zu Wort kommen lassen, die selbst Experten ihrer Lebenswelt sind“, sagte Nübel vor den rund 25 Gästen. An dem Abend sollen Themen angesprochen werden, die Bürger umtreiben, so die Intention. Doch soll es dabei nicht nur darum gehen, Probleme auf den Tisch zu bringen, sondern auch Lösungsansätze zu diskutieren.
Ein Kellnerblock voller Anliegen
Die Moderatoren machten sich Notizen, Rainer Nübel auf einem Kellnerblock. Ein erster Teilnehmer meldete sich zu Wort und meinte, dass der Zusammenhalt in Nürtingen abnehme und eine Klassengesellschaft die soziale Spaltung in der Stadt weiter vorantreibe. Wenn er die lange Schlange vor dem Tafel-Laden sehe, schäme er sich für die Sozialpolitik, die betrieben werde.
Auch ehrenamtliche Aktionen gerieten in Kritik, wie etwa die Vesperkirche. Eine Frau im Publikum erzählte, dass sie nicht mehr bei der Vesperkirche mitarbeiten wolle. Sie bemängelte, dass „der Pfarrer neben dem Stadtrat sitzt“ und keine Durchmischung der gesellschaftlichen Schichten stattfinde. „Da stellt sich mir die Frage, für wen die Vesperkirche gemacht ist: für Bedürftige, oder für die, die Gutes tun wollen?“
Ehrenamt und die Einstellung zu gesellschaftlicher Teilnahme waren ein großes Thema an dem Abend. Nübel berichtete vom „Zukunfts-Talk Wirtschaft“ mit Handwerkskammerpräsident Rainer Reichhold im vergangenen Herbst. Dabei war es unter anderem um die „Generation Z“ gegangen, also um junge Leute, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, und um deren Einstellung zur Arbeit. Wie blicken ältere Personen auf diese Generation? Sehen sie in ihr wirklich überwiegend Hedonisten, die nur Work-Life-Balance und Spaß im Sinn haben? „Und gab es die ‚Spaßgesellschaft‘ nicht schon mehrere Generationen zuvor?“, warf Nübel in den Raum. Oder haben Eltern versäumt, Werte zu vermitteln oder gar vorzuleben? Ein Teilnehmer jedenfalls war überzeugt, dass es ein schwerer Fehler gewesen sei, die Wehrpflicht und den Zivildienst abzuschaffen.
Aber auch die Veränderungen, die alle betreffen, wie der Gebrauch von sozialen Medien, trieb das Publikum um, Stichwort: Diskussionskultur. Eine Teilnehmerin berichtete, dass für sie Facebook und Co. die Haupt-Informationsquelle sei, auch um ein Stimmungsbild in der Stadt einzufangen.
Vom Problem, viele zu erreichen
Wie bringt man Menschen zusammen? Ist das gar durch soziale Medien möglich? Eine weitere Teilnehmerin sparte nicht mit Kritik: Es seien überwiegend immer dieselben, die sich vernetzten, im Digitalen wie in der wirklichen Welt. Das zeige auch die Zahl und die Zusammensetzung der Teilnehmer an diesem Abend.
Wo setzt man an einer gesellschaftlichen Verbesserung an? An der Bildung? Ist das Leben nicht der beste Lernort, fragte ein Teilnehmer. Und müssten sich Schulen diesem nicht öffnen? Dem entgegnete eine junge Mutter, dass gesellschaftliche Kompetenzen nicht erst in der Schule vermittelt werden dürften – und dass immer auch Vorbilder mit gutem Beispiel vorangehen müssten.
Oberbürgermeister Johannes Fridrich, der sich als stiller Zuhörer ins Publikum gesellt hatte, wurde schließlich auch zu Wort gebeten und hob an, eine „Lanze für die Jugend zu brechen“. Mit einem attraktiven Ehrenamt könne man durchaus junge Leute motivieren, sagte er, und verwies beispielhaft auf Jugendfeuerwehren oder Sportvereine. Doch müsse man auch bedenken, dass junge Menschen zunehmend durchgetaktet seien – Schule, Sportvereine, Musik und Freunde – und dass man ihnen auch die Zeit einräumen müsse, einfach mal entspannen zu können.
Etwas mehr als zwei Stunden diskutierte das Publikum mit den Moderatoren. Der weitgefasste, dichte Inhalt rief mehrmals nach willkommenen Pausen, um innezuhalten und das Gespräch sacken zu lassen. Musikalisch begleiteten diese Pausen am Klavier die 13-jährige Noemi, ihre zwölfjährige Duett-Partnerin Thalea sowie die 16-jährige Eva. Allesamt sind sie von der Musik- und Jugendkunstschule Nürtingen.
Am Ende war der Bestellblock von Rainer Nübel, wie er sagte, „bis zum bitteren Ende“ vollgeschrieben. Vielleicht taucht das ein oder andere Thema in der nächsten Ausgabe von „Sag mal, hör mal“ wieder auf, die sich am Donnerstag, 6. Juni, 19 Uhr, in der Gemeinschaftsschule Frickenhausen mit dem Schwerpunkt Bildung befasst.
NTZ+ Nürtingen | 08.03.2024 - 05:00
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