Licht der Hoffnung

Alles andere als verstaubt

Licht der Hoffnung: Die Blue Flagships schenkten unserer Aktion einen beswingten Auftakt

Begeisterten die Blues-Fans in der Nürtinger Mörikehalle: die Blue Flagships. Foto: Holzwarth

So hört es sich an, wenn gute Freunde zusammenkommen und miteinander die Musik machen, für die sie Leidenschaft empfinden: hohe Qualität und gute Laune pur. Die Blue Flagships schenkten unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ am Freitagabend einen be-swingten Auftakt voller Lebensfreude.

NÜRTINGEN. Jeder von ihnen spielt oder singt in hochkarätigen Jazz-Bands, ist ein absolutes As in seinem Metier. Aber einen paar Mal im Jahr gönnen sie sich doch das, was ihr Herz wahre Freudensprünge vollführen lässt: den urbanen Rhythm & Blues der Vierziger- und späten Fünfzigerjahre, der die Stimmung auf den schwarzen Tanzdielen in den USA zum Kochen brachte. Dann kamen Bill Haley und Elvis und ließen eine fantastische Musik fast in Vergessenheit geraten.

Nur noch ein paar Bands weltweit spielen diese Musik, die zugegebenermaßen von gestern ist, aber noch lange nicht passé. Das spürt man von den ersten Takten der Blue Flagships an. Von den Ohren geht die übers Herz direkt in die Beine. Man kann sich kaum wehren, man muss einfach mitwippen. Und viele im Publikum mag es da gejuckt haben, einfach aufzustehen und loszutanzen – wenn nicht die große innere Nürtinger Barriere im Kopf da gewesen wäre: Was saget denn di Leit dazu?

Gleichwohl: Gute-Laune-Musik konnte man da über mehr als zwei Stunden hinweg genießen, einfach mal den Alltag hinter sich lassen, stattdessen völlig losgelöst mitwippen und mitschnippen, mitklatschen und mitsingen.

„Zwei Schlammpackungen voller Rhythm & Blues“ hatte Duke Seidmann, Saxophonist der Spitzenklasse, dem Publikum gleich zu Beginn des Konzerts, das die Volksbank Kirchheim-Nürtingen möglich gemacht hatte, versprochen. Und das war nicht übertrieben. Vor und nach der Pause konnte man sich in Wohlfühl-Klängen suhlen, entspannen, innerlich alle Viere von sich strecken.

Im Fußball mag eine Ansammlung von Einzelkönnern keine Garantie sein für eine Mannschaft, die funktioniert. In der Musik ist das vielleicht nicht unbedingt anders. Aber eins wurde am Freitag dennoch klar: Bei den Blue Flagships klappt das. Ein jeder ist ein Meister seines Fachs. Aber die Brillanz dieser Truppe besteht nicht zuletzt darin, dass sich jeder nach fantastischen Soli auch wieder zurücknimmt, dem anderen den Vortritt lässt. Nur bei der Moderation gibt es da Unterschiede (das machen der Duke und Sänger Tommie Harris eben einfach klasse), sonst begeistern die Blue Flagships sowohl als Einheit als auch als Individuen.

Vordergründig sind es natürlich die Bläser, die die blaue Flagge im Wind der Lebensfreude flattern lassen. Wer Duke Seidmann mit dem Tenor-Saxophon, Tom Müller als sein Bariton-Pendant und den Schotten John Service mit seiner Posaune erlebt hat, der versteht, warum die Legende des Blues-Saxophons, Red Holloway, im Alter von 84 Jahren mit den Blue Flagships seine letzte Tournee bestritten und seine letzte CD eingespielt hat.

Die drei müssen sich wahrlich vor niemand ihres Genres verstecken, setzen ein Glanzlicht nach dem anderen und wissen zudem auch Show-Elemente zu zelebrieren, die bei einem Konzert wie diesem einfach das Salz in der Suppe sind.

Aber bei allem Lob für das Trio darf man keineswegs die an der Seite und im Hintergrund vergessen. Sie setzen das Tüpfelchen aufs i. I wie imposant. Wie Inbrunst. Wie innig. Wie Inspiration. Wie Instinkt. Oder wie: einfach irre.

Da ist Dave Ruosch, der aus dem Klavier all das rausholt, was dieses Instrument nur zu geben vermag, dessen Fingern man mit den Augen kaum zu folgen vermag, wenn die über die Tasten hasten.

Da ist Tommie Harris, den die Alabama Jazz Hall of Fame mit Fug und Recht in ihre Reihen aufgenommen hat und der auch in Nürtingen unter Beweis stellt, wie sehr er diese schwarze Musik liebt und lebt (bei der Gospel-Weihnacht in Neuffen ist er übrigens auch mit dabei).

Da ist Dani Gugolz, der seinen Kontrabass mal schlägt, mal streichelt, aber immer genial ins große Ganze einbettet. Da ist Martin Meyer, der auf Krücken auf die Bühne humpelt (bei einem Spaziergang hat er sich den Unterschenkel gebrochen), der aber dann am Schlagzeug Gas gibt, dass es einem die Stimme verschlägt.

Und da ist Dani Solimine, quasi der Luxus in dieser Band. Eine Rhythmusgitarre in der Besetzung halten nicht mehr alle Bands dieser Art für nötig. Aber Solimine lässt spüren, was wirklich fehlt, wenn man auf einen Könner wie ihn verzichtet. Seine Soli waren keine Aperçus, sondern absolute Highlights.

Und den ganzen Abend über spürte man: Diese Musik ist alles andere als verstaubt. Sie ist ein Dornröschen, das nur drauf wartet, wachgeküsst zu werden. Am besten von den Blue Flagships.

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