Landkreis Esslingen
Diakonie im Landkreis Esslingen lehnt Bezahlkarte für Geflüchtete ab
Diakonie-Geschäftsführer befürchtet Schikane für Menschen.
LANDKREIS ESSLINGEN. Bund und Länder sind entschlossen, die Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Für Eberhard Haußmann, Geschäftsführer der Diakonie im Landkreis löst die Bezahlkarte keine Probleme, sondern ist ein weiteres Hindernis zur Integration. „Bezahlkarten sind ja grundsätzlich nützlich“, sagt Haußmann, der Geschäftsführer der Diakonie im Landkreis Esslingen. „Wir bezahlen häufig und gerne mit Karte im Supermarkt, im Restaurant, im Internet und vielen Geschäften.“ Doch die üblichen Bank-, Kredit- oder Debitkarten hätten einen ganz anderen Zweck als die Bezahlkarte für Geflüchtete: „Während meine Bezahlkarte mir den Geldverkehr erleichtern und mir Konsumfreiheit ermöglichen soll, dient die Karte für Geflüchtete der Einschränkung von Freiheiten und ist damit das glatte Gegenteil“, so Haußmann.
Er befürchtet, dass mit der Bezahlkarte Einschränkungen verbunden sind, die die Integration nicht nur verhindern, sondern die Ausgrenzung und Stigmatisierung verstärken. Reinhard Eberst, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim zählt die Einschränkungen auf: „Es ist offen, ob man mit der Karte beim Bäcker, kleinen Lebensmittelgeschäften oder auch bei allen Discountern einkaufen kann. Offen ist auch, ob man im Internet Waren kaufen kann. Gerade wenn man wenig Geld zur Verfügung hat, sind Sparangebote im Netz wichtig, zum Beispiel für ein Haushaltsgerät. Mit der Bezahlkarte kann man nicht überweisen und somit auch keinen Anwalt im Asylverfahren bezahlen. So werden Menschen um ihr Recht gebracht. Zudem braucht man bei uns immer noch ausreichend Bargeld für Material oder Ausflüge in der Schule, am Imbiss und vieles mehr.“ Überdies dürfe die Bezahlkarte nicht generell nur für einen Landkreis oder gar eine Gemeinde gelten.
Bringt Bezahlkarte zusätzliche Einschränkungen?
Mit dem Vorhaben sei Tür und Tor für Gängelung und Ausgrenzung geöffnet. „Die Karte könnte jederzeit gesperrt werden. Und wenn, wie in Bayern geplant, nur 50 Euro pro Monat in Bar verfügbar sein sollen, ist das einfach nur eine zusätzliche Einschränkung. Das ist diskriminierend“, so Eberst. Die Behauptung, dass Geflüchtete viel Geld aus Sozialleistungen ins Ausland transferierten, wurde bislang nicht belegt. Und Sozialleistungen seien laut Migrationsforschung nur untergeordnet für die Migration verantwortlich. „Hier wird eine Gruppe von Menschen unter Generalverdacht gestellt und mit Auflagen belegt, die offensichtlich nichts oder kaum zur Verbesserung der Situation beitragen“, ärgert sich Haußmann. „Die Bezahlkarte ist vor allem Symbolpolitik und keine sinnvolle Maßnahme. Wer damit jetzt auf weitere Ausgrenzung setzt und die Verantwortung auf Betroffene abschiebt, handelt nicht nur unmoralisch, sondern auch unklug, weil wir am Ende die Zeche zahlen. Wir brauchen Integration und einen konstruktiven Umgang mit Migrantinnen und Migranten.“ Haußmann sieht noch weitere Risiken: „Die Einführung der Bezahlkarte mit allen damit verbundenen Details ist ein großer Aufwand und frisst zusätzlich Geld und Ressourcen in einem ohnehin angespannten System der öffentlichen Verwaltung“, warnt er und befürchtet zugleich weitere negative Entwicklungen: „Wenn die Bezahlkarte für Geflüchtete nur der Anfang ist und womöglich weitere staatliche Transferleistungen wie Bürgergeld oder Grundsicherung zukünftig auch mit Bezahlkarte abgewickelt werden sollen, steuern wir auf eine Gesellschaft zu, die Digitalisierung zur Diskriminierung verwendet.“