Licht der Hoffnung

„Eine innere Massage für den Zuhörer“

Kleinkunstpreisträgerin Annette Postel über den Zauber der Klassik, den Reiz der Lieder der 20er-Jahre und ihr Programm „Champus violett“

Singen und spielen am Samstag beim Finale unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ im Großbettlinger Sportforum: Jan Röck (Piano), Bernhard Metz (Erste Violine), Domas Juskys (Zweite Violine), Annette Postel (Gesang), Konstantin Sellheim (Viola) und Manuel von der Nahmer (Cello). Foto: cvi

„Wie Max Raabe – nur besser“: So urteilte der SWR über die Truppe, mit deren Konzert am Samstag, 19. Januar, um 20 Uhr die 22. Auflage unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ zu Ende geht. Annette Postel und das Philharmonische Streichquartett München präsentieren im Sportforum in Großbettlingen ihre 20er-Jahre-Revue „Champus violett“.

GROSSBETTLINGEN. Seine umjubelte Premiere hatte das Programm beim Faschingsball der Münchner Philharmoniker im Künstlerhaus am Stachus gefeiert. Dieses Jahr wird es unter anderem beim Rheingau-Musikfestival und im Theater der Kurstadt Baden-Baden zu sehen sein. Dank der Unterstützung durch die Volksbank Hohenneuffen kann es nun auch zu einem kulturellen Glanzlicht der Hoffnung für Großbettlingen und den ganzen Nürtinger Raum werden. Mit Sängerin Annette Postel unterhielten wir uns über das, was „Champus violett“ zu etwas ganz Besonderem macht.

„Titanic 2“ – so lautet der Untertitel eures Programms. Haben Sie Lust am Untergang?

Sicher. Aber eher Lust an der untergegangen Ära dieser großartigen Kultur der 20er-Jahre. Übrigens ist es bis zu den nächsten 20ern gar nicht mehr lange hin.

Und was macht Ihnen da Lust drauf?

Mich fasziniert vor allem, dass die Komponisten dieser Zeit noch richtig klassisch Musik studiert haben. Die kommen quasi aus der Klassik. Und haben dann die Unterhaltung für sich entwickelt – und zwar mit richtig großem Können. Der Kurt Weill, der auch in dieser Zeit berühmt war, uns aber für dieses Programm ein bissel zu wenig lustig ist, hat ja mal gesagt: „Es gibt keine E- und U-Musik. Sondern nur gute und schlechte.“ Und es ist einfach gute Musik, was die damals geschrieben haben. Handwerklich einfach fantastisch.

Und das wollt ihr am Samstag beweisen?

Klar. Vor allem die Jungs von den Münchner Philharmonikern. Mir macht es total Spaß, dass das einfach sehr emotionale Musik ist. Entweder unglaublich lustig und witzig. Oder sehr sehnsüchtig. Beides berührt. Entweder die Lachmuskeln oder die Tränensäckchen.

Welche Rolle spielt dann der Text dabei?

Eine sehr große. Text und Musik sind bei diesen Liedern gleichwertig. Vielleicht ist bei manchen sogar der Text noch wichtiger.

Also anders als beim „Anton aus Tirol“?

Genau. Unsere Lieder stammen aus der Chanson-Ecke. Und Chanson bedeutet ja: das intelligente Lied. Allerdings ist nicht alles aus den 20er-Jahren ein Chanson. Manches halt auch schlichtweg Schlager. Aber wir machen aus jedem Schlager ein Chanson. Das behaupte ich jetzt einfach mal.

Wie denn zum Beispiel?

Wir versuchen, dem Lied einen gewissen Dreh zu geben. „Oh Donna Clara“ etwa kennt auch heute noch fast jeder. Eigentlich ist das ein ganz normaler Schlager. Aber dadurch, dass wir ihn in den Grammophon-Stil ändern, wird er ein Chanson.

Ein Kunstkniff also?

Genau. Ich sag meinen Chanson-Schülern immer: „In dem Moment, in dem man eine Brechung vornimmt, wird aus einem Schlager ein Chanson.“ Oder der Text ist schon so gut, dass er von sich aus ein Chanson ist und gar keine Brechung braucht.

Schampus kenne ich nur eher goldfarben. Wie schmeckt denn Champus violett?

Violett war einfach die Farbe der 20er-Jahre. Da gab es Lieder wie „Es trägt die Lu lila“. Die Farbe Violett war damals relativ neu. Und groß in Mode.

Sie sind ausgebildete Opernsängerin, nicht wahr?

Ausgebildete klassische Sängerin. Da ist die Oper natürlich dabei. Aber genauso Oratorium und klassisches Lied. Bei den Chansons stelle ich aber meine Stimme hintan und lass sie nur manchmal glitzern, wenn es das Lied erfordert. Mein Glück ist es eben, dass ich mit meiner Stimme relativ vielseitig umgehen und mit ihr gewissermaßen die Musik bedienen kann. Ich muss die Kompositionen nicht quasi meiner Stimme untertan machen, wie das manche Opernsängern halt tun müssen. Ich versuche es, jedes Stück so zu singen, wie es das selbst aus sich heraus erfordert.

Trotzdem sind Sie ja eine Wanderin zwischen den musikalischen Welten. Was fasziniert Sie denn so am Wandern?

Beim klassischen Musizieren fasziniert mich, welch ungeheure Energie dabei entsteht. Wenn man Klassik aus der Konserve hört, wird einem das heute oft gar nicht mehr so klar. Aber wenn man in einem Klassik-Konzert drin ist, vibriert der ganze Körper. Das ist quasi eine innere Massage für den Zuhörer. Und auch für denjenigen, der es macht. Rock und Pop schaffen es durch das Schlagzeug. Bei der Klassik kriegen das aber auch Geigen hin. Das ist etwas, was die Menschen wirklich musikalisch mitreißt. Ich persönlich will dann auch immer die Lachmuskeln mitreißen. Schließlich will ich mich ja bei Konzerten nicht langweilen.

Und das wollen Sie ja wohl am Samstag auch nicht tun.

Ganz gewiss nicht. In dieser unglaublichen Musik ist einfach alles drin: Du kannst Dich totlachen, sie geht zu Herzen. Geigen schwelgen sehnsuchtsvoll – und genauso erlebt man einfach nur Lustiges. Das Tolle an meinem Pianisten Jan Röck und den Münchener Philharmonikern ist es, dass die Jungs eben alles mitmachen, was gut klingt und Spaß macht, und sich für nix zu schade sind. Einfach schön.

Wie hat denn eure Titanic-Kreuzfahrt-Truppe eigentlich zusammengefunden?

Sie werden es kaum glauben: auf einer echten Kreuzfahrt. Auf der MS Europa. Vor Kuba. Mit dem Pianisten Jan Röck gehe ich öfter auf so eine Tour, und die Münchner Philharmoniker hab ich da kennengelernt.

Und dann ist der Funke gleich übergesprungen?

Ja. Bei den Philharmonikern und mir war das einfach musikalische Liebe auf den ersten Blick. Wir haben sofort gesagt: „Wir müssen was zusammen machen!“ Schon auf dem Schiff haben wir zum Abschluss gemeinsam „Summertime“ gespielt und gemerkt, dass wir unglaublich schön miteinander musizieren können. Übrigens gab es auf dem Schiff auch Gottesdienste. Die Jungs hab ich damals überhaupt noch nicht gekannt. Da bin ich einfach an deren Tisch und hab gesagt: „Was, ihr seid die Münchner Philharmoniker?! Wer begleitet mich, wenn ich morgen im Gottesdienst singe?“ Da waren gleich zwei dabei.

Ihr harmoniert also gut miteinander?

Ich erlebe das so. Bei den Jungs ist das eine wunderbare Mischung aus Können, großer Virtuosität, aber auch Riesenspaß an der Sache. Das ist einfach toll.

Vor acht Jahren haben Sie schon mal für „Licht der Hoffnung“ gesungen. Kurz nach Ihrer Auszeichnung mit dem Kleinkunstpreis Baden-Württemberg. Damals saß Gunzi Heil am Klavier.

Ja, mit dem Gunzi hab ich zurzeit auch wieder sechs Konzerte. Aber das am Samstag in Großbettlingen ist etwas ganz anderes: nicht Musik-Comedy. Sondern Chanson. Wenn auch mit kleinen lustigen Elementen. Aber schon eher was fürs klassische Publikum. Warum sollte ich mir sonst die Münchner Philharmoniker als Begleitung nehmen? Die garantieren musikalische Unterhaltung auf höchstem künstlerischen Niveau.

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