Frickenhausen

Licht der Hoffnung: Selbst in der Regenzeit reicht der Solarstrom vom Krankenhaus-Dach in Benin aus

Das Projekt der schwäbischen Kinderchirurgen in Westafrika ist abgeschlossen. Nun befinden sich 520 Fotovoltaik-Module auf dem Krankenhausdach, die nicht nur die Stromversorgung für drei Operationsräume, die Kinderklinik und die Neugeborenenstation sicherstellen.

Dr. Hartwig Sauter (links), deutscher Arzt und Vorsitzender des Vereins „Kinderchirurgie in Afrika“, zusammen mit Ibouraïma Aoudi, dem Direktor des Krankenhauses in Bembéréké, auf dem Dach des Hospitals. Foto: pm
Die Dachflächen der Krankenhaus-Gebäude werden mit weiteren Solaranlagen ausgestattet. Foto: pm
Eine Einweisung in den Technikraum für die neuen Fotovoltaikanlagen. Foto: pm
Ein Teil der Krankenhaus-Patienten zusammen mit den deutschen Ärzten. Foto: pm

FRICKENHAUSEN. Erst vor ein paar Tagen sind die schwäbischen Ärzte vom Verein „Kinderchirurgie in Afrika“ mit Sitz in Stuttgart wieder aus Benin nach Hause gekommen. Zweimal im Jahr sind mehrere Kinderchirurgen und Anästhesisten für 14 Tage in Westafrika im Krankenhaus in Bembéréké, um junge afrikanische Patienten zu behandeln. Diesmal haben sie in Benin 53 Operationen durchgeführt, unter anderem bei Lippen-Gaumenspalten, Krebs und Verbrennungen. Diesmal war der Aufenthalt in Westafrika aber ein ganz besonderer. Denn kurz vor der Abreise waren die Fotovoltaikanlagen auf dem Krankenhausdach fertig installiert und funktionierten auch sogleich. Damit ist ein großes Projekt des Vereins erfolgreich abgeschlossen, das unter anderem auch mit Spendengeldern durch die Aktion „Licht der Hoffnung“ der Nürtinger und Wendlinger Zeitung finanziert wurde.

Weil das deutsche Ärzteteam während der Einsätze in Benin im Durchschnitt täglich sechs Stromausfälle erlebte, war Anfang 2022 die Idee entstanden, die Krankenhausbereiche, die für die medizinische Versorgung der Kinder zuständig sind, mit einer Fotovoltaikanlage mit Stromspeicher mit Solarstrom zu versorgen: drei Operationssäle, die Pädiatrie und die Neonatologie. Denn wenn etwas in Westafrika nicht fehlt, dann ist es die Sonneneinstrahlung. Um das Projekt umsetzen zu können, hatte das Vereinsmitglied Urban Nießer aus Frickenhausen das Fundraising übernommen. Er stellte in diesem Zuge auch den Antrag für die Aktion „Licht der Hoffnung“. Der Verein hat dann in Benin mit Organisationen zusammengearbeitet, die schon viel Erfahrung mit Fotovoltaikanlagen für gemeinnützige Einrichtungen in Afrika mitbringen.

Ohne Stromausfälle erhöht sich die Lebensdauer der medizinischen Geräte um bis zu Faktor 5

Nun befinden sich 520 Fotovoltaik-Module auf dem Krankenhausdach, die nicht nur die unterbrechungsfreie Stromversorgung für drei Operationsräume, die Kinderklinik und die Neugeborenenstation sicherstellen, sondern aktuell sogar deutlich mehr Strom liefern. Der Strom wird in das übrige Krankenhausnetz eingespeist und führt zu geringeren Kosten. Und der Speicher helfe mit einer Kapazität von 182 Kilowattstunden über die Nacht, weiß Urban Nießer. Tagsüber reiche auch in der Regenzeit die Leistung der Fotovoltaikanlage mit 195 Kilowatt Peak noch für die drei OPs und die zwei Stationen aus. „Wenn elektromedizinische Geräte während der Operation ausfallen, kann das sonst lebensbedrohlich werden.“ Mit der jetzt von Stromausfällen im öffentlichen Netz unabhängigen Stromversorgung wird sich auch die Lebensdauer der elektromedizinischen Geräte um bis zu Faktor 5 erhöhen.

Von der neuen Fotovoltaikanlage werden nach den ersten Erfahrungen an sonnenreichen Tagen 700 Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Bereiche, die im Rahmen des Projektes mit Solarstrom versorgt werden sollen, benötigen täglich 250 Kilowattstunden. „Daher können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch in der sonnenarmen Regenzeit, in der circa 40 Prozent weniger Solarstrom erzeugt wird, genügend Energie zur Verfügung steht, um diese Bereiche vollständig mit Solarstrom zu versorgen“, freut sich Urban Nießer. „Der Solarstrom, der über den Bedarf der fünf Bereiche produziert wird, trägt wesentlich zur Reduzierung des Stromverbrauchs in den übrigen Bereichen des Krankenhauses bei.“

Warum die Operationen jetzt günstiger werden

Die eigene Stromproduktion des Krankenhauses und die längere Lebensdauer der Gerätschaften bringen auch finanzielle Vorteile für die Patienten mit sich. „Das Krankenhaus hat weniger Ausgaben, die auf die Behandlungskosten umgelegt werden müssen. Daher werden die Operationen günstiger“, erklärt Nießer. Aktuell gibt es noch viele Bewohner in Benin, die sich einen Krankenhausaufenthalt finanziell nicht leisten können. Das führt häufig dazu, dass Familien entweder extrem spät oder nie mit ihren Kindern ein Krankenhaus für notwendige Behandlungen aufsuchen. Daher finanziert der Verein Kinderchirurgie in Afrika auch teilweise zu 50 bis 75 Prozent medizinische Behandlungen von Kindern in Benin. Zudem bringen die deutschen Ärzte bei ihren Besuchen den afrikanischen Kollegen ihre Behandlungsmethoden bei, damit diese die Behandlungen in der Zukunft auch selbstständig durchführen können.

Für das Fotovoltaikanlagen-Projekt kommen Kosten in Höhe von 239.400 Euro zusammen

Für das Fotovoltaikanlagen-Projekt hat der Verein insgesamt 44.400 Euro aus privaten Spenden sowie weitere 196.981 Euro aus Bundesmitteln, Zuwendungen über Firmen und Hilfsorganisationen gesammelt. Ein Puffer von 18.438 Euro für mögliche Mehrkosten sowie zusätzliche Optimierungen bei den Stromverbrauchern ist noch vorhanden. So sollen noch Lampen und Klimaanlagen ausgetauscht werden. „Vielleicht werden wir auch noch eine weitere Ausbaustufe bei der Fotovoltaik angehen oder medizinische Geräte nach Benin bringen. Eine Beatmungsmaschine haben sie beispielsweise noch nicht“, sagt Urban Nießer.

Über das nun abgeschlossene Projekt informiert vor Ort an einer Krankenhaus-Wand eine Tafel, auf der die größten Spender aufgeführt sind. Zu lesen steht dort unter anderem auch „Nürtinger Zeitung avec la campagne Licht der Hoffnung. Depuis 32 ans, Nürtinger et Wendlinger Zeitung organisent la campagne Licht der Hoffnung au profit de projets sociaux.“

Das Evangelische Krankenhaus von Bembéréké hat 230 Betten und 240 Mitarbeiter, davon sieben Ärzte. Das Einzugsgebiet umfasst 1,2 Millionen Menschen, auch aus den Nachbarstaaten, wie Niger und Nigeria. In Benin kommen aktuell 0,6 Ärzte auf 10.000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland verfügt über 43 Ärzte je 10.000 Einwohner.

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