Licht der Hoffnung

Man müsste Klavierspielen können

Licht der Hoffnung: Die Queenz of Piano stellten beim Dreikönigskonzert in Unterensingen Verwunderliches mit dem Piano an

Gewannen im Handumdrehen das Herz ihres Publikums im Unterensinger Udeon: Jennifer Rüth ...

Ein Klavierkonzert: lange Zeit Inbegriff für steife Bildungsbürgerlichkeit. Wer etwas auf sich hielt, der musste Interesse heucheln und dadurch bekunden, dass man zu den besseren Schichten der Gesellschaft gehört. Gottseidank sind diese Zeiten vorbei. Auch dank Künstlerinnen wie den Queenz of Piano, die das Publikum im Udeon beim Unterensinger Dreikönigskonzert mitrissen.

UNTERENSINGEN. Dass man ein Klavierkonzert nicht immer über sich ergehen lassen muss, sondern es auch eine Menge Spaß machen kann, das bewiesen Anne Folger und Jennifer Rüth zu jeder Sekunde des Dreikönigskonzerts, das einmal mehr die Firma ZinCo (früher in Unterensingen, jetzt in Nürtingen ansässig) gemacht hatte. Und für optimale Bedingungen hatte auch Klaus-Peter Heilemann vom Nürtinger Pianohaus gemeinsam mit der Firma Yamaha gesorgt: Deren Flügel hatten einen fantastischen Klang und brachten die Fähigkeiten der Pianistinnen fantastisch zur Geltung. Da die Instrumente der Premium-Klasse kostenlos für das Konzert im Zeichen der guten Sache zur Verfügung gestellt wurde, verschaffte dem Licht der Hoffnung zudem auch finanziell mehr Strahlkraft.

Die Queenz of Piano wiederum erteilten dem begeisterten Publikum in zweieinhalb kurzweiligen Stunden ein paar höchst vergnügliche Piano-Lektionen.

Lektion 1: Ein Klavier ist auch eine Trommel. Anne Folger und Jennifer Rüth spielen nicht nur mit den weißen und schwarzen Tasten, sondern verwenden den ganzen Flügel als Instrument. Da fetzt dann sogar Michael Jacksons „Thriller“ auf dem Piano.

Lektion 2: Ein Klavier ist auch was zum Zupfen. Zum Beispiel als Opening zu Astor Piazzolas „Libertango“. Und der gibt dann den beiden auch die Chance, das ganze Feuer und die ganze Erotik zu zelebrieren, die man dem Tango nachsagt. Gemeinhin. Aber diesmal stimmt’s tatsächlich.

Lektion 3: Ein Klavier kann auch sprechen. Zumindest im Rahmen eines musikalischen Dialogs, den die Queenz of Piano meisterhaft beherrschen – vom sanften Turteln bis zur überschäumenden Euphorie. Und manchmal auch in Form eines Zickenkriegs per Instrument.

Lektion 4: Ein Klavier ist auch ein Geliebter. Dieses Chanson von Jennifer Rüth und Anne Folger war vermutlich das am wenigsten Verwunderliche an diesem Abend. Dass sie ein emotionales Verhältnis zu ihren voluminösen Bühnen-Partnern haben, obwohl die mit einem dicken Bauch gesegnet sind, ständig die Klappe aufreißen und alles nur in schwarz-weiß sehen – all das erscheint einem auch nach nur ein paar Minuten des Konzerts nur logisch.

... und Anne Folger. Fotos: Gauß

Lektion 5: Ein Klavier ist auch eine Zither. Die bayerischen G’stanzl, die sie (im Stil der Biermösl Blosn durchaus auch mit politischen Spitzen garniert) im Alpen-Sound zum Besten geben, wirken genauso originalgetreu wie der griechische Sirtaki. Wobei da das Klavier natürlich eine Bouzouki ist.

Lektion 5: Ein Klavier ist auch ein Turngerät. Sitzend, stehend, liegend – es gibt keine Position, in der die Queenz of Piano nicht zu spielen vermöchten. Und dann sind die beiden eben nicht nur Musikerinnen, sondern zugleich auch Akrobatinnen, die einen Mal um Mal nur so staunen lassen.

Klassik muss keineswegs tierisch ernst sein

Das gilt natürlich auch generell für ihre Fähigkeiten am Flügel. Sie können die Finger fliegen lassen, dass man kaum noch mit den Augen nachkommt. Wie beim „Säbeltanz“ Aram Chatschaturjans. Oder dem Boogie zum Mitschnipsen, bei dem sie beweisen, dass sie auf diesem rutschigen Terrain genauso zurechtkommen wie in der Klassik. Bei Isaac Albéniz’ „Asturias“ lassen sie die musikalischen Funken fliegen.

Und darüber begeistern sie auch noch als zwei Entertainerinnen der Spitzenklasse, die immer wieder das Publikum mit einbeziehen, stets den Schalk im Nacken haben und einen zur jeder Sekunde daran erinnern, dass Klassik keineswegs identisch mit „tierisch ernst“ sein muss. Ganz im Gegenteil.

„Man müsste Klavierspielen können“, hat Johannes Heesters mal gesungen. Am Sonntag spürte so mancher vielleicht zum ersten Mal, wie recht er doch hatte. Zumal die Queenz of Piano einen Neuland betreten ließen: In dem sie mit ihrer Bühnenpräsenz deutlich machten, dass klassische Musik nicht nur was für die Ohren ist. Sondern auch für die Augen.

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