Leserbriefe

Fadenscheinige Argumente

Hellmut Kuby, Nürtingen. Zum Artikel „Es hätte schlimmer kommen können“ vom 11. Juli. Weil man gut informiert sein muss, um mitreden zu können, wollte ich mir die Wettbewerbs-Modelle und Pläne vor der Veranstaltung im Stadtbauamt genau ansehen. (Bis jetzt ist ja nur ein Modell-Foto aus der Nürtinger Zeitung bekannt.) Das war nicht möglich, weil sie nachmittags noch „nicht öffentlich“ waren. Ab 19 Uhr waren die Modelle im Schlosskeller ausgestellt. Zum genauen Studium und zum Vergleich mit der derzeitigen Situation war keine Zeit.

Der Tenor der Abrissbefürworter lautet: Man kann das Haus nicht renovieren und besser nutzen und weil es seit der Zeit, in der Hölderlin mit seiner Mutter dort gewohnt hat, mehrere bauliche Veränderungen gegeben hat, sei es falsch verstandene Pietät, es (als Hölderlinhaus) zu erhalten. Scheinargumente! Der Gemeinderat hat – weil man glaubt, Kosten zu sparen – beschlossen, alle Einrichtungen der Stadt zu zentralisieren. Weil es dafür nur wenige stadteigene Grundstücke gibt, bietet sich das Hölderlinhaus an, das für das Raumprogramm aber zu klein ist. (Das Grundstück ist anscheinend größer.) Wenn man es also abreißt – dafür sind negative Äußerungen wie die Kochers („Unzierde für die Umgebung“) eine willkommene Argumentationshilfe –, kann man dort etwas Größeres bauen (einen Nutzflächenvergleich alt – neu wird das Stadtbauamt sicher noch veröffentlichen). Und das soll so geschickt gemacht werden, dass man die Vergrößerung gar nicht merkt, wenn man nicht genau hinguckt oder als Nichtfachmann weder Pläne noch Modelle beurteilen kann.

Alle Abrissbefürworter – da bin ich sicher – werden entsetzt sein, wie sich die Situation, der Auftakt zu unserer schönen Altstadt (die wir Werner Mehlhorn verdanken) verändert. Die Schlossgartenstraße wird zur reinen Straße (ohne Ausweitung zu einem kleinen Platz), begrenzt durch einen 24 Meter langen Verwaltungsbau in Verlängerung und der gleichen Bauflucht wie die Gebäude der Firma Elektro-Haussmann. (Ich habe die künftige südöstliche Hausecke auf einem Pflasterstein rot markiert, der Abstand zum Sport-Schweizer beträgt nur noch zwölf Meter). Um sich ein ungefähres Bild von der Lage und der Dimension des geplanten Neubaus machen zu können, schlage ich vor, (mindestens) den (Süd-)Giebel durch ein Stangengerüst darzustellen (ein in Österreich vorgeschriebenes und bewährtes Verfahren). Vielleicht wird dann mehr Menschen bewusst, was man mit dem fadenscheinig begründeten Abriss historischer Bausubstanz verliert und was man gewinnt.

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