Leserbriefe

Gemeinschaft ohne Gemeinschaft

Helmut Weber, Aichtal-Neuenhaus. Zum Artikel „Streit am Gartenzaun: Mehr Gewalt unter Nachbarn“ vom 17. August.

Recherchen bei Justiz, Polizeirevieren und kreisregionalen Ämtern ergaben eine beunruhigende Häufigkeit und Vielfalt von Nachbarschaftsstreitigkeiten. Wer mit neuen Nachbarn darin involviert ist, kann laut den Protokollen Erstaunliches erleben. Je nach Charakter beziehungsweise Veranlagung zeigt ein neuer Nachbar gelegentlich, dass er wenig von Rechten anderer oder Rücksichtnahme hält, selbst aber gern die Justiz oder den Polizeiposten bemüht, um sein persönliches Recht in Szene zu setzen. Gespräche sind hier kein Thema, da Rechthaber nicht selbst unter ihrer verminderten Selbstreflexion leiden.

Gelegentlich ist es dabei die Doppelgesichtigkeit, die andere, die erfahrene Nachbarschaften täuschen (welche vielleicht über Jahrzehnte nur Treue und Hilfe von Betroffenen erfahren haben) und plötzlich durch geschicktes Taktieren der Neuankömmlinge, den gealterten Nachbarn mit Misskredit belegen und das nur, weil die Verursacher sich um jeden Preis behaupten wollen, eigene Aktivitäten unterschlagen oder als Antwort gegen die Betroffenen begründen – jetzt begünstigt, durch ihre neue zielgeführte Zuhörerschaft, die selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen ist.

Wenn erprobte Nachbarschaftsverhältnisse auf diese Weise ausgehebelt werden können oder Nachbarschaft keinen Schutzraum mehr bieten kann, gegen egoistische Anfeindungen aus ihrer Mitte – also Gleichgültigkeiten die Situationen schönreden oder ignorieren, dann ist sie eine Gemeinschaft ohne Gemeinschaft und jeder im Irrtum, der sich auf sie verlassen wollte, weil er selbst für sie einstand und sich nach ihr gerichtet hat. Den Betroffenen, die sich jetzt menschlich enttäuscht und ausgegrenzt aus diesem Umfeld zurückziehen, ist das nicht zu verdenken, auch wenn sich dabei ihre Lage nicht verbessert und den Ort zu verlassen, sich letztlich als beste, aber folgenreichste Lösung zeigt.

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