Licht der Hoffnung

Volksmusik für einen guten Zweck in Nürtingen

Licht der Hoffnung: „Für Euch zu spielen ist uns a Ehr“, bekräftigt Alb-Schäfer Kai Müller bei der Gala „Volksmusik im Advent“ in der Nürtinger Kreuzkirche. Zwei Tage vor Heiligabend war damit Halbzeit bei der Weihnachtsspendenaktion „Licht der Hoffnung“.

Spundlochmusig unter der Leitung von Wulf Wager aus Altenriet Foto: Angela Steidle
Hirtenspiel zur Volksmusik im Advent: Als Amateurtheatergruppe des Kübelesmarkt Bad Cannstatt sind „d'Scheureburzler“ bekannt für die unterhaltsame Pflege des Brauchtums und der schwäbischen Mundart. Foto: Angela Steidle
Die Schömberger Stubenmusiker der Familien Wöhr pflegen ihre Verbundenheit zur Volksmusik aus der Tradition des Alpenlandes und des Schwarzwalds unverfälscht und unangepasst. Foto: Angela Steidle
Das Vocal-Trio Xang mit Marie Wolf (10 Jahre), talentierte Enkeltochter von Wulf Wager. Foto: Angela Steidle
Das Wager-Trio in der Kreuzkirche. Foto: Angela Steidle
Adventliches Finale in der Nürtinger Kreuzkirche. Foto: Angela Steidle
Von links: Thomas Holzwarth, Marketingleiter der Nürtinger Zeitung, nimmt von den Regionaldirektoren der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Markus Einsele und Heiko Kaiser den Spendenscheck entgegen. Foto: Angela Steidle

NÜRTINGEN. „Was für a goldige Krott!“, begeistert sich eine Besucherin der Benefiz-Veranstaltung „Volksmusik zum Advent“ beim Verlassen der Nürtinger Kreuzkirche. „Draußa em Wald hot’s a kleis Schneele g'schneit“, trällerte die zehnjährige Marie Wolf mit ihren Pippi-Langstrumpf-Zöpfen. Von der Begrüßung über das flotte Gesangs-Duo mit Opa Wager bis zum Advents-Gedicht „Guetsle backa mit dr Muater“ zeigte sie sich als charmantes Wesen mit erstaunlich reifer Stimme. Damit machte sie ihrem Opa, Wulf Wager im dreistündigen Abendprogramm durchaus auf Augenhöhe Konkurrenz.

Der aus Altenriet stammende Werbefachwirt, leidenschaftliche Musikant sowie Spezialist für Brauchtum und Volksmusik, zeichnet an diesem Abend verantwortlich für die Auswahl und Zusammenstellung der Musikstücke und die Dramaturgie, als Schreiber des schwäbischen Hirtenspiels und Autor von Weihnachtsg’schichtle zum Schmunzeln.

Es gab auch eine „wunderbare Reise in die Vergangenheit mit alten Liedern und Musikstücken aus handschriftlichen Notensammlungen des 19. Jahrhunderts“. Allzu viele, die im schwäbischen Dialekt hinterlegt sind, gibt es davon nicht, sagt Wager. Die wunderschönen alten Weisen aus dem „Schatzkästlein schwäbisch-alemannischer Tradition“ wurden durch fröhliche und besinnliche Stücke ergänzt. „Echte Volksmusik“, wie Wulf Wager betonte, die sich deutlich vom volkstümlichen TV-Schlagerkonsum abhebt.

Echte Volksmusik statt volkstümlicher Schlager

Die Musiker, die zwei Tage vor Heiligabend auf der Bühne der Kreuzkirche stehen, beherrschen ihr Handwerk auf hohem Niveau: In zweiter Generation spielt die Familie Wöhr aus dem Schwarzwald als Schömberger Stubenmusik zusammen. Den unverwechselbaren Klang erhält die Musik mit Harfe und Harfenzither des vielseitigen Ensembles auch durch Eigenbearbeitungen.

„Die Engel im Himmel, dia singet wunderschön“, klang eine alte schwäbische Weise in den Chorraum der Kreuzkirche. Damit ist das vokale DreiXang-Trio aus Sopran, Mezzosopran und Alt gut eingeführt. Die drei alten Schulfreunde aus dem MPG Nürtingen stehen in der Tradition klassischer Kirchenmusik – nur viel leichter und schnörkellos.

Gesungen werden Stücke aus der traditionellen, schwäbisch-alemannischen Volksmusik, wie sie bei uns im 18. und 19. Jahrhundert zu Hause war. Wulf Wager sagt dazu: „Das Schwäbische hat mehr Zwischentöne, klingt schöner und ist emotionaler als die Hochsprache“. Er forscht seit über 40 Jahren im Arbeitskreis Volksmusik im Landesmusikrat nach dem „musikalischen Dialekt“.

Ein Blick in die untergegangene Welt der Albschäfer

Wager ist auch Gründer der Spundlochmusig und des Wager-Trios in der Besetzung Cello, Geige und Harmonika. D‘Scheureburzler als Amateurtheatergruppe des Kübelesmarkt in schwäbischer Mundart kamen über die Cannstatter Fasnet ins Ensemble. In der Rolle der „armen Albschäfer“. Hirten, die in der Stadt Stuttgart geschätzt werden sollten: „Do lang amol emma nackta Mann en da Sack.“ Schäfer waren in jener Zeit wohl „ziemlich weit onda a`gsiedlat en dr G’sellschaft“, erklärt Wulf Wager. Sein Wissen um das Brauchtum der Albschäfer hat der Initiator des „Sebastian-Blau-Preises für schwäbische Mundart“ auch im Jubiläums-Bildband zu 300 Jahren Schäferlauf Bad Urach verewigt. Das „Hosentaschen-Instrument“ der Albschäfer, die Maultrommel, beherrscht er virtuos.

Was die sie sich wohl vom „Erlöser vo alle schreckliche Sacha“ erwarten würden: „... net vomma despotischa Regenta oder vo ma domma Trampl blogad werra. - Mir arme Älbler hends en dr’Hand, dia Botschaft nauszomtraga“, leuchtet den Albschäfern ein, nachdem sie die Geburt des Heilands doch glatt verpennt haben. Die ineinanderfließenden Beiträge aus Gesang, Instrumental, Theater und zünftigen schwäbischen Weihnachtsg’schichtle hatte durchaus auch ihre zeitkritischen Aspekte. Vor allem aber war sie kurzweilig und szenisch ansprechend.

Ein Blick unter schwäbische Christbäume

Wulf Wager, Autor zweier schwäbischer Erzähl-Bände, hat sich in einen typisch schwäbischen Familienvater hineinversetzt, der beim „Ausmischda uf Großomas Behne als Weihnachtsüberraschong en alda, fürchterlich verroschdata Chrischtbaumständer mit mechanischem Drehmechanismus“ aufgespürt hat. Von der Sanierungs-Idee bis zur Stenkelfeld-reifen Präsentation am Weihnachtsabend vor versammelter Familie ist es nur ein Katzensprung: „Der sich em Feschtagshäs drehenda Chrischtboom mit Spieluhr“ machte sich selbstständig. „Lametta ond`s Engelshoor hend sich erhoba ond wia em Kettakarussell uf am Volksfescht om da Chrischtboom zentrifugiert. An Goldengel isch völlig losgelöst durch d`Stub trudelt. Ällas en Deckong! Als dr g’füllte Schokoladabaumschmuck an dr Großoma ihrer ergrauta Stirn explodiert isch. Bis mei scheenr Chrischtboom in Zeitlupe en de letzschte Nodla auf da feierlich gedeckte Esstisch g’hagelt isch.“

Entlang der „wunderbaren Geschichte vom Kind in der Krippe“, so Albschäfer Kai Müller, entspinnt sich in der Kreuzkirche ein reiches Pottpuri aus weihnachtlich-volkstümlichen Klängen und urschwäbischem Humor, in den auch eine alleinerziehende Maria und die Krippenfigur Superman als ganz persönlicher Held aus Kindheitstagen passt. „S’Chrischtkindle mag luschtige Leut“, beruhigen die engelsgleichen Stimmen von DreiXang die scheuen Albschäfer.

Zwei Tage vor Heiligabend ist mit der Gala „Volksmusik im Advent“ Halbzeit bei der Weihnachtsspendenaktion „Licht der Hoffnung“ der Nürtinger und Wendlinger Zeitung. Der Erlös der Veranstaltung unterstützt die Lesepaten des Vorlesenetzes Nürtingen.

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