Im Prozess gegen die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette hat das Landgericht Verden eine Einstellung des Verfahrens abgelehnt. «Die Kammer führt das Verfahren rechtskonform», betonte Richter Jens Niemeyer. Die Verteidigung hatte einen entsprechenden Antrag gestellt, weil aus ihrer Sicht kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess wegen Raubüberfällen gegen die 66-Jährige möglich ist.
Am zweiten Prozesstag richteten sich erneut alle Augen auf die Angeklagte, die zuvor jahrzehntelang im Untergrund lebte. Mit schwarzem Pullover und dunkelblauer Jeans bekleidet betrat Klette den Gerichtssaal, begrüßte ihre Anwälte und schaute neugierig in den Zuschauerraum. Dort winkte ihr auch der frühere RAF-Terrorist Karl-Heinz Dellwo zu, der lange Zeit in Celle im Gefängnis saß und für den Prozess als Journalist zugelassen ist. Beide trennen zwei Glasscheiben, eine der Sicherheitsmaßnahmen.
Die Anwälte kritisieren, dass allein das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen Anzeichen eines Terrorismusverfahrens aufweise. So wird unter anderem nicht in Verden, sondern im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle verhandelt. Die Verteidigung befürchtet eine Vorverurteilung ihrer Mandantin.
Die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf zurück. Bei den Sicherheitsmaßnahmen handele es sich «um keine Sonderbehandlung, sondern notwendige Vorsichtsmaßnahmen», sagte Staatsanwältin Annette Marquardt. Immerhin seien noch zwei mutmaßliche Komplizen auf der Flucht. Auch von einer Vorverurteilung könne keine Rede sein. «Hier geht es um Straftaten, die nichts mit Terrorismus zu tun haben.»
Die Staatsanwaltschaft wirft Klette vor, mit den ehemaligen RAF-Terroristen Burkhard Garweg (56) und Ernst-Volker Staub (70) Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen zu haben. Dabei sollen sie mehr als 2,7 Millionen Euro für ihr Leben im Untergrund erbeutet haben.
Unabhängig davon ermittelt die Bundesanwaltschaft unter anderem wegen versuchten Mordes gegen Daniela Klette. Dabei geht es um Anschläge der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF) in den Jahren 1990 bis 1993. Die RAF erklärte im Jahr 1998 ihre Auflösung.
Beide Verfahren seien «juristisch völlig voneinander losgelöst», betonte auch Richter Jens Niemeyer. «Die Verteidigung hat als erste im Rahmen der Hauptverhandlung Bezüge zur RAF gezogen.» Das Gericht lehnte den Antrag der Verteidigung schließlich ab.
Alternativ hatten die Anwälte gefordert, den Prozess für eine längere Zeit zu unterbrechen. Erst kurz vor Prozessbeginn hätten sie eine Festplatte und andere Datenträger mit 18 Terabyte Daten zur Verfügung gestellt bekommen – der Umfang entspreche etwa zehn Millionen Aktenordnern.
Die Strafkammer wies auch diesen Antrag zurück. Ihre Begründung: Die Verteidigung hätte schon in den vergangenen zehn Monaten Einsicht in diesen Teil der Akten nehmen können – und zwar beim Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen. Der Antrag auf Aushändigung einer Kopie dieser Daten sei erst kurz vor Prozessbeginn gestellt worden.
Auch während des Verfahrens könne die Verteidigung noch Anträge stellen, um Daten einzusehen. Das Gericht habe ohnehin jederzeit Zugang zu allen Dokumenten, sagte Richterin Fenna Meinke. «Die Akte ist entgegen der Ansicht der Verteidigung vollständig.» Das Gericht lehnte es auch ab, ein von der Polizei verwendetes KI-Programm zur Verfügung zu stellen, da dies nur ein polizeiinternes Hilfsmittel sei.
Für das Verfahren gelte das sogenannte Beschleunigungsgebot, führte das Gericht weiter aus. Klette sitzt seit ihrer Festnahme in Berlin im Februar 2024 in Untersuchungshaft, das Verfahren müsse deshalb möglichst schnell verhandelt werden. Die 66-Jährige stehe weiter unter dringendem Tatverdacht und könne deshalb nicht aus dem Gefängnis entlassen werden. Auch das hatten ihre Anwälte beantragt - ohne Erfolg.
Die Verteidigung möchte das nicht so hinnehmen und kündigte für die nächste Verhandlung am 15. April Widerspruch und einen weiteren Antrag an. Die Beweisaufnahme könnte sich damit weiter verzögern. Ursprünglich sollten die ersten Zeugen zu einem Überfall auf einen Geldtransporter in Stuhr nahe Bremen gehört werden. Der Fall aus dem Jahr 2015 ist besonders brisant: Bei dem Überfall fielen Schüsse, die Staatsanwaltschaft wertet die Tat auch als versuchten Mord.
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