Nürtingen

Licht der Hoffnung: Erster Standort für Wanderladen der Jugendwerkstatt in Nürtingen eröffnet

Die Nürtinger Jugendwerkstatt setzt ihr Projekt mit dem Verkauf von selbst hergestellten Produkten in der Altstadt um.

Haben den ersten Wanderladen der Jugendwerkstatt schön eingerichtet: (von links) Sabine März, Ralf Kuder und Pit Lohse vom Nürtinger Trägerverein Freies Kinderhaus. Foto: Jürgen Holzwarth

NÜRTINGEN. Es ist ein sehr kleiner, schnuckeliger Laden in einem jahrhundertealten Eckhaus. Rund 15 Quadratmeter mag die Verkaufsfläche an der Schlossgartenstraße 12 in der Nürtinger Altstadt groß sein, die ab sofort für einen Monat bis zum 22. Juli vom Wanderladen der Nürtinger Jugendwerkstatt genutzt wird. Zuletzt waren in dem Raum der Schmuck- und Holzskulpturenladen Treibgut, davor „Ton in Ton“ und davor ein Blumenladen untergebracht. Für das temporäre Ladenprojekt der Jugendwerkstatt ist es die allererste Station. Weitere Verkaufsstandorte sollen folgen: im September im mobilen Bühnenbauwagen der Alten Seegrasspinnerei, der nach dem Weltkindertag vor dem Stadtmuseum aufgestellt werden soll, und im Winter im Ladengeschäft in der Kirchstraße 14, das aktuell vom Modegeschäft „Street One“ und ab dem Jahresende 2024 vom Nürtinger Weltladen genutzt wird. Die Verantwortlichen der Jugendwerkstatt hoffen noch auf weitere Eigentümer, die leere Ladenflächen für einen Monat zur Verfügung stellen.

Der Aufbau des Wanderladens wurde möglich durch eine finanzielle Spritze durch die Weihnachtsspendenaktion „Licht der Hoffnung“ der Nürtinger und Wendlinger Zeitung, das Bundesprogramm „Demokratie leben“ sowie die Deutsche Fernsehlotterie als weiteren Fördermittelgeber. Ohne Unterstützung könnte die Jugendwerkstatt nach inzwischen 16-jährigem Betrieb gar nicht mehr existieren. Denn die Förderung durch die Aktion Mensch ist ausgelaufen. Ein wenig helfen soll nun der Verkauf der Produkte, die in der Jugendwerkstatt hergestellt werden.

Die Jugendwerkstatt in der Alten Seegrasspinnerei ist bekannt für originelle Upcycling-Produkte aus Holz und Metall. Diese werden von den jungen Menschen aus Zuweisungen des Jobcenters, der Jugendgerichtshilfe sowie Geflüchteten aus Syrien, Eritrea, Iran, Gambia und Kamerun unter Anleitung von Ralf Kuder und Anneli Bialek hergestellt. Sie alle haben über das handwerkliche Arbeiten in der Gemeinschaft einen geregelten Tagesablauf und finden teilweise in der Folge einen festen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz.

Produziert und nun in der Schlossgartenstraße verkauft werden aus recycelten Materialien in vielen Stunden Arbeit gefertigte Holztische, aus alten Feuerlöschern hergestellte Koffergrills, Feuerschalen aus alten Heizkesseln, Getöpfertes, Keramik, Bilder, Stühle, Magnettafeln, Kissen, Tassen, Teller, Kunstwerke und Produkte aus der Siebdruckwerkstatt. Viele Dinge, die ausgedient hatten, bekommen dadurch eine neue, moderne Funktion.

Während Sabine März, Ralf Kuder und Pit Lohse vom Nürtinger Trägerverein Freies Kinderhaus am Freitagnachmittag den Laden einrichteten und draußen noch ein Holzpodest bauten, schauten immer mal wieder neugierige Flaneure sowie die freundlichen Inhaber der benachbarten Läden vorbei, die sich sehr über die neue Belebung in der Altstadt freuen. „Es ist immer gut, wenn sich etwas in der Stadt tut und ein neuer Laden aufmacht“, sagt der Inhaber der Weinhandlung, die sich ein paar Häuser weiter befindet.

Und so sieht der Wanderladen der Jugendwerkstatt an seinem ersten Standort in der Nürtinger Altstadt von innen aus. Foto: Jürgen Holzwarth

„Viele Nürtinger kennen die Jugendwerkstatt, zumal auch einige das Repair-Café nutzen“, weiß Sabine März. Im Laden könnten sich die Besucher nun die aufwendig hergestellten Produkte einmal genau und in Ruhe anschauen. Pit Lohse ist es gleichwohl bewusst, dass allein aufgrund der Kosten für Betriebsmittel und Material durch den Laden keine Kostendeckung entstehen wird. „Was hier erwirtschaftet wird, wird eher marginal sein. Es ist aber wichtig, dass die Jugendwerkstatt in der Öffentlichkeit präsent ist.“

Ralf Kuder geht es auch um die „Wertschätzung“ für die Produkte und deren Produzenten. „Wir wollen nichts bauen, was man wieder wegschmeißt. Wir legen Wert auf solide Produkte, die auch optisch etwas hermachen. Wenn die Jugendlichen ihre eigenen Produkte auch selbst verkaufen, hat das noch eine ganz andere Qualität.“ Zudem müsse man immer kreativ bleiben und immer wieder auf neue Produkte kommen – so wie bei dem aus einem alten Ölfass entstandenen Sofa, den aus alten Holzfässern gemachten Klappstühlen oder den Magnettafeln aus alten Fenstern.

Der Ladenbetrieb neben den normalen Betriebsstunden in der Jugendwerkstatt, die deshalb nicht eingeschränkt werden sollen, sei natürlich ein Mehraufwand, weiß Kuder. Und Sabine März ergänzt: „Wenn ein Tisch verkauft ist, können wir nicht binnen zwei Tagen wieder einen neuen bauen.“ Für die Jugendlichen sei es aber auch eine neue Erfahrung, so Ralf Kuder: „Raus aus der Werkstatt, rein in die Stadt und beim Verkauf Kontakt mit anderen Leuten. Das kann auch zu mehr Selbstbewusstsein führen.“ Die bevorstehende Eröffnung des ersten Ladens hat bei einem Jugendlichen bereits zu einem Motivationsschub geführt. „Er wäre bei dem Produkt ansonsten nicht dran geblieben. Aber so hat er ganz akribisch gearbeitet, um etwas Schönes in den Laden zu stellen.“

Bis zum 22. Juli ist der Wanderladen jeweils Donnerstag und Freitag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Samstags ist der Laden an der Schlossgartenstraße 12 von 11 bis 15.30 Uhr auf.

In der 33. Saison von „Licht der Hoffnung“ werden wieder mehrere konkrete Projekte finanziell unterstützt. Wer im nächsten Winter bedacht werden möchte, sollte eine Kurzbeschreibung seines Anliegens (nicht mehr als eineinhalb DIN-A4-Seiten) unter Nennung eines groben Finanzbedarfs per Brief (nicht per E-Mail) bis zum kommenden Montag, 3. Juli, schicken an: Nürtinger Zeitung, Licht der Hoffnung, Carl-Benz-Straße 1, 72622 Nürtingen. Die Projektträger müssen aus dem Verbreitungsgebiet dieser Zeitung kommen.

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