Geschichten aus der Klinik

Medius-Klinik Nürtingen: Dank neuem Testverfahren überlebte Rainer Ihlau eine Sepsis

Rainer Ihlau kämpfte aufgrund einer Blutvergiftung ums Überleben. Aktuelle Forschungen an den Medius-Kliniken zeigen: DNA-Sequenzierung hilft bei der Behandlung.

Rainer Ihlau (links) überlebte eine Sepsis. Professor Dr. Torsten Schröder, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (rechts), verwendete ein neuartiges Testverfahren, um den Erreger zu identifizieren und dann gezielt zu behandeln. Foto: pm
Mithilfe von DNA-Sequenzierung können Erreger identifiziert werden. Foto: Getty Images

NÜRTINGEN. „Hurra, ich lebe noch – und wie! Das ist mein aktuelles Lebensgefühl“, strahlt Rainer Ihlau (77). Der pensionierte Betriebswirt stand an der Schwelle zwischen Leben und Tod, als eine schwere Sepsis – umgangssprachlich auch als „Blutvergiftung“ bekannt – sein Leben plötzlich auf den Kopf stellte. Wochenlang kämpfte er auf der Intensivstation der Medius-Klinik Nürtingen um sein Überleben. Heute, ein gutes Jahr später, blickt er dankbar zurück und ist sich sicher: Ein neuartiges Verfahren zur Erregerbestimmung hat ihm das Leben gerettet.

Leidenschaftlicher Tennisspieler

Rainer Ihlau war immer ein aktiver Mensch. Als leidenschaftlicher Tennisspieler und sportlicher Rentner dachte er zunächst an harmlose Verschleißerscheinungen, als er Rückenschmerzen bekam. Doch was als vermeintliche Bagatelle begann, entpuppte sich bald als Wettlauf gegen die Zeit. Eine Untersuchung im MRT (Magnetresonanztomografie) brachte keinen Befund. Doch die Schmerzen wurden unerträglich. Schließlich brach er zu Hause zusammen und kam in die Notaufnahme. Die Diagnose: Sepsis, ausgelöst durch Abszesse an der Wirbelsäule.

Die Sepsis ist eine lebensbedrohliche Komplikation bei Infektionen. Circa 230.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer Blutvergiftung, ein Viertel der betroffenen Patienten verstirbt daran. Kann das körpereigene Immunsystem eine Infektion nicht eingrenzen, breiten sich Erreger unkontrolliert im gesamten Körper aus. In der Folge kommt es zu einer starken Abwehrreaktion des Immunsystems, bei der auch die eigenen Organe angegriffen werden. Im schlimmsten Fall droht ein Multiorganversagen. Den genauen Erreger zu kennen, ist wichtig, um eine Sepsis erfolgreich zu behandeln.

Die Suche nach dem Erreger gleicht dabei oft Detektivarbeit – und nicht immer gibt es eindeutige Spuren. Traditionelle Methoden, wie beispielsweise mikrobiologische Untersuchungen des Blutes, liefern häufig keine klaren Ergebnisse. So bleiben viele Patienten zunächst im Unklaren, welcher Keim ihr Leiden verursacht. Teilweise erhalten sie zu spät das passende, rettende Antibiotikum oder aber sie erhalten ein Antibiotikum, das bei ihrer Infektion nicht wirkt und unnötige Nebenwirkungen verursacht. Auch bei Rainer Ihlau war der Erreger nicht sofort bekannt.

Neuartiges Testverfahren

Daher entschieden sich die behandelnden Ärzte für ein neuartiges Testverfahren, das die Medius-Kliniken als eines von wenigen Krankenhäusern bundesweit im Rahmen von Studien erproben: Hierbei wurde die Blutprobe zur Analyse in ein spezialisiertes Labor geschickt und mithilfe von DNA-Analyse und speziellen fortschrittlichen Algorithmen untersucht.

Mithilfe der modernen Technik konnte so binnen 24 Stunden der gefährliche Keim „Staphylococcus aureus“, identifiziert werden. „Dieser Erreger ist tückisch und besonders schwer zu bekämpfen“, erklärt Professor Dr. Torsten Schröder, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. „Dank des NGS-Tests konnten wir die Antibiotikatherapie jedoch exakt auf den Erreger abstimmen und laufend überprüfen, ob sie wirkt.“

Exakte Erregerbestimmung

Und das war entscheidend: Dank der Tests wurde die Antibiotikatherapie weit über die normale Anwendungsdauer hinaus verlängert, bis kein Erreger mehr nachgewiesen werden konnte. „Ohne die Nachweise durch den NGS-Test wäre die Antibiotikatherapie im Fall von Herrn Ihlau zu früh beendet worden“, erklärt Professor Dr. Schröder. „Der NGS-Test identifiziert den Erreger unter laufender Antibiotika-Therapie, was bei traditionellen blutkulturbasierten Verfahren meist nicht gelingt.“

Ohne die exakte Erregerbestimmung hätte die Behandlung von Rainer Ihlau möglicherweise nicht den nötigen Erfolg gehabt. „Ich feiere jetzt zweimal im Jahr Geburtstag“, sagt der 77-Jährige. Seine Dankbarkeit gegenüber Professor Schröder und dem Team ist groß: „Sie haben mich ins Studienprogramm aufgenommen und mir so eine zweite Chance gegeben.“ Das innovative Verfahren bringt aber nicht nur für einzelne Patienten wie Rainer Ihlau Hoffnung. Professor Schröder erläutert: „In unseren Studien haben wir gesehen, dass bei etwa jedem dritten Patienten die Therapie angepasst werden musste – in 15 Prozent dieser Fälle wurde zuvor ein falscher Erreger bekämpft und das Antibiotikum wurde dank des neuen Verfahrens gewechselt, in 20 Prozent der Fälle konnten unnötige Antibiotika-Behandlungen vermieden werden.“ Diese präzisen Tests optimieren die etablierten Methoden und tragen dazu bei, die Genesung zu beschleunigen und gleichzeitig die Gefahr von Antibiotikaresistenzen zu verringern.

„Jeder Tag ist ein Geschenk“

Heute, Monate nach seiner Entlassung, kämpft sich Rainer Ihlau noch immer zurück ins Leben. Dabei freut er sich über jeden kleinen Fortschritt: „Ich weiß jetzt mehr denn je, wie kostbar das Leben ist. Jeder Tag ist ein Geschenk.“

Den Erregern auf der Spur

Das sogenannte Next-Generation-Sequencing (kurz NGS) testet die Blutprobe des Patienten in weniger als 24 Stunden auf circa 1000 Erreger. Dabei wird die gesamte DNA in der Blutprobe erfasst. Anschließend nutzen spezialisierte Computer Algorithmen, um die menschliche DNA herauszurechnen. Übrig bleibt nur die DNA der Erreger. Dies ermöglicht es erfahrenen Ärzten, genau zu bestimmen, welche Keime für die Blutvergiftung verantwortlich sind und die Behandlung entsprechend anzupassen. Mit diesem Verfahren können Erreger auch dann noch identifiziert werden, wenn der Patient bereits mit einem Antibiotikum behandelt wird.

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