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Im Pfarrberuf wechseln sich Freud und Leid ab

Neuffener Realschülerin haben mit der Kohlberger Seelsorgerin Ina Banzhaf über ihren Beruf gesprochen.

Das ist die Kohlberger Pfarrerin Ina Banzhaf. Foto: zis

KOHLBERG. Elodie Thon und Lotta Schwenkel aus der Klasse 8c der Neuffener Realschule haben die 29-jährige Ina Banzhaf interviewt. Sie ist die Pfarrerin von Kohlberg.

Was hat dich inspiriert, Pfarrerin zu werden?

Ich hatte einen ganz tollen Konfi-Pfarrer, und mir hat es total viel Spaß gemacht, im Konfiunterricht mehr über Gott und den Glauben zu erfahren, und ich habe dann, als ich ihn näher kennengelernt habe, weil ich selbst auch in der Gemeinde mitgearbeitet habe, erfahren, was Pfarrpersonen sonst so alles außer Konfi-Unterricht machen. Es war einfach so eine große Vielfalt von Taufe, Hochzeiten, Gottesdienst, Schule, Konfi-Unterricht, Jugendarbeit, so dass mich das total fasziniert hat, weil ich mir nicht vorstellen konnte jeden Tag immer das Gleiche zu machen in der Arbeit. Deshalb habe ich dann den Beruf gefunden: die Abwechslung, die Vielfalt, mit verschiedenen Menschen in Kontakt zu sein. Egal, ob Kinder, Jugendliche oder Senioren.

Wie sieht dein Alltag als Pfarrerin aus?

Sehr unterschiedlich. Also heute zum Beispiel hatte ich um 8 Uhr Religionsunterricht in der Grundschule und bin dann nach Hause gekommen. Ich habe die Hühner gefüttert und habe dann Mittag gegessen und dann Konfi vorbereitet. Jetzt bin ich hier, dann habe ich nachher noch einen Geburtstagsbesuch von einem älteren Herrn und dann heute Abend die Andacht in der Kirche. Aber auch sonst ist jeder Tag eigentlich unterschiedlich: Montag habe ich zum Beispiel frei. Das ist anders als bei allen anderen. Ansonsten wache ich morgens auf, gehe an den Schreibtisch, und dann habe ich halt verschiedene Termine über den Tag und die muss ich vor- und nachbereiten, also egal ob Gottesdienst oder Taufgespräche oder Unterricht. An zwei Tagen in der Woche ist unsere Pfarramtssekretärin da. Da bin ich auf jeden Fall erst mal unten bei ihr im Büro. Dann machen wir ein Dienstgespräch, also überlegen, was gerade ansteht.

Bereust du es manchmal, den Job gewählt zu haben?

Ich weiß nicht, ob man das bereuen nennen kann, aber es fällt mir schon schwer, wenn dann zum Beispiel eine Geburtstagsfeier oder so etwas ist. Die ist ja meistens samstags und da muss ich halt immer früher gehen, weil ich am Sonntag arbeiten muss, und ich muss halt oft arbeiten, wenn andere Freizeit haben. Ich habe auch viele Abendtermine, weil wir viel mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, und die können sich natürlich nicht vormittags zu einer Besprechung treffen, sondern das fällt auf abends und das merke ich schon. Manchmal wünsche ich mir so einen Job, wo ich um 8 Uhr morgens hingehe und um 17 Uhr mache ich den Computer aus und dann gehe ich heim und habe frei.

Das ist im Pfarr-Beruf eigentlich nie so, und das fällt mir manchmal schwer, aber der Beruf gibt mir auch viel an Erfüllung zurück und dann kann man das gut aushalten. Dann ist es hilfreich, viele Freunde zu haben, die den gleichen Beruf haben, wenn man dann einen ähnlichen Tagesablauf hat oder verstehen kann, dass halt jetzt gerade viel zu arbeiten ist.

Wie bereitest du den Gottesdienst vor?

Meistens gucke ich mir am Montag den Predigttext an, der für den Sonntag dran ist, und dann arbeitet das so die ganze Woche gedanklich in mir und ich schreibe noch gar nichts auf.

Aber dann, wenn ich zum Beispiel im Auto fahre, dann denke ich auch darüber nach und dann setze ich mich irgendwann mal am Dienstag oder Mittwoch hin und suche die Lieder für den Gottesdienst aus. Sie müssen dann an die Organisten weitergegeben werden, damit die auch üben können. Am schwersten fällt es mir, die Lieder auszusuchen, weil ich selber nicht so gern singe und viele Lieder aus dem dicken Gesangbuch gar nicht kenne, und dann fällt es mir auch schwer, das richtige auszuwählen. Dann setze ich mich meistens am Freitag hin und schreibe die Predigt. Also Freitag und Samstag ist Predigtschreiben dran, und dann hocke ich halt morgens am Schreibtisch und fange an, drauf loszuschreiben, lese ein paar Sachen, was andere geschrieben haben, und überlege, ob ich das gut oder schlecht finde. Tatsächlich ist die Predigtvorbereitung auch oft der Moment, wo ich selber für mich den Gottesdienst feiere, denn im Gottesdienst selber bin ich oft zu beschäftigt damit, was als Nächstes kommt, wann ich wieder dran bin, ob ich vielleicht vergessen habe, was zu sagen, ob ich doch noch was anderes sagen will, dass ich das selber gar nicht so genießen kann. Das Predigtschreiben ist dann für mich der Moment eigentlich, wo ich das so selber auch mir zusprechen kann, was ich dann sagen möchte.

Warum ist es wichtig, dass es eine Pfarrerin/Pfarrer in der Gemeinde gibt?

Ich glaube, dass es für ganz viele Menschen noch total wichtig ist, vor Ort einen Ansprechpartner, eine Ansprechpartnerin zu haben, weil vieles auch auf persönlichen Beziehungen beruht. Vielen fällt es, glaube ich, schwer eine seelsorgliche Beziehung aufzubauen, wenn man jemanden gar nicht kennt, und natürlich könnte man jetzt in Stuttgart anrufen oder in Nürtingen und sagen: Ich hätte gerne ein Seelsorgegespräch oder ich wünsche mir eine kirchliche Trauung. Aber dann kennt man die Person gar nicht, die da kommt, und ich glaube, dass es für viele wichtig ist, da jemanden zu haben, den man kennt und dem man auch vertraut mit der Zeit. Ich finde es zum Beispiel auch total wertvoll, wenn man Menschen beerdigen muss und die gekannt hat. Sonst ist man total und ausschließlich auf die Berichte der Angehörigen angewiesen und hat selbst eigentlich gar keinen Eindruck von der verstorbenen Person gehabt, und es fällt schon deutlich leichter, eine Trauerfeier zu gestalten, wenn man die Person auch persönlich gekannt hat.

Wie gehst du mit verschiedenen Emotionen um?

Ja, das ist manchmal echt krass, weil ich quasi vom Trauergespräch direkt zum Taufgespräch fahre, und dann ist das schon so ein richtig krasser Switch. Aber ich kann das eigentlich ganz gut ablegen: zum Beispiel der Gottesdienst fällt mir richtig leicht, weil ich ja den Talar anhabe, und wenn ich den Talar ausziehe, dann ist es irgendwie auch von mir abgestreift. Also dann bin ich so in der Rolle drin: So, ich bin jetzt als Pfarrerin hier, ich bin nicht als Ina hier. Die Menschen auf dem Friedhof wollen nicht Ina, sondern wollen eine Pfarrerin, und das hilft mir dann, dass ich dann nach Hause fahre und sagen kann: Das ist jetzt erledigt, der Dienst, ich ziehe meinen Talar aus, und dann kann ich irgendwie auch die Emotionen, die damit verbunden sind, ausziehen. Aber ich glaube, das funktioniert auch nur, wenn es jetzt nicht so eine total schwierige Situation ist, also wenn ich jetzt irgendwie ein Kind beerdigen müsste oder einen Jugendlichen oder sowas. Das kann ich, glaube ich, nicht so einfach abstreifen, das braucht dann schon Zeit, und das gehört auch zu unserem Beruf dazu, dass man sich dann nach solchen Terminen auch Zeit nehmen kann, um ins Gebet zu gehen und das sacken zu lassen und das zu verarbeiten. Wir haben auch Supervision, das ist ein Beratungsangebot, dass wir in Anspruch nehmen können, wo wir auch über eigene Erfahrungen und Probleme oder Unsicherheiten sprechen können und da hat so etwas auch seinen Platz. Aber an sich mag ich auch die Vielfalt, also ich könnte zum Beispiel nicht ausschließlich das Gespräch mit der Bestatterin führen, also nur Trauerfälle machen. Ich brauche auch die Abwechslung von Freud und Leid, und ich glaube, mit der Freude kann man dann auch das Schwere besser tragen.

Wie reagierst du, wenn Menschen mit einem anderen Glauben sagen, dass es Gott nicht gibt oder über ihn urteilen?

Also, ich versuche, das nicht persönlich zu nehmen. Meistens sagt es ja viel mehr über die Menschen selbst aus als über mich und meinen Gott. Das ist für mich in Ordnung, wenn Menschen nicht an den Gott glauben, denn ich glaube, dass es für jeden etwas Individuelles ist. Manche können auch nicht glauben, auch wenn sie gerne würden, ich würde nicht sagen: „und dein Gott ist auch viel blöder oder so etwas“, sondern halt versuchen, so bisschen Rationalität wieder reinzubringen in das Gespräch. Aber ich glaube, das kann auch verletzen, wenn wir über die Hoffnungen und den Glauben von jemand anderem eigentlich so schimpfen, oder? Das beleidigt, und ich glaube, dass das dann eigentlich immer viel mehr mich selber treffen würde. Wenn es mich treffen würde, würde es mich persönlich treffen, weil ich glaube, Gott trifft es wahrscheinlich nicht so, weil damit lebt er schon immer. Also, Jesus wurde verspottet und verhöhnt und gekreuzigt, und ich glaube, Gott kann den Spott ertragen, auch wenn es ihm sicherlich irgendwo wehtut, weil er, denke ich, zu allen Menschen irgendeine Beziehung haben möchte. Aber ja, wenn einen das verletzt, dann eher, weil man sich persönlich gekränkt fühlt dadurch, aber das tue ich nicht.

Wie war‘s für dich das erste Mal in der Kirche als Pfarrerin zu stehen und zu predigen?

Aufregend. Das war meine erste Predigt als Vikarin am ersten Weihnachtsfeiertag 2021. Ich weiß noch genau, was ich gesagt habe und was ich anhatte, und weil Weihnachten war, war auch mal die ganze Familie mit im Gottesdienst. Das hat es noch viel aufregender gemacht, und die Erwartungen waren halt so riesig groß. Als ich dann im März hier in Kohlberg das erste Mal als Pfarrerin gepredigt habe, das war auch noch mal das ganz anderes, weil dann ja klar war: Sie ist fertig ausgebildet. Die müsste es ja jetzt richtig gut können, und dann saßen hier so viele Leute aus Kolberg und haben mich erwartungsvoll angeguckt, und da habe ich so gedacht, was für krasse Erwartungen hier im Raum sind. Aber auch ein großes Privileg, weil, wo gibt es so etwas, dass man irgendwo reden darf und keiner sagt ein Wort dazwischen für 15 Minuten oder so etwas. Aber es ist immer noch aufregend.

Was magst du am meisten an deinem Job?

Dass es Arbeitszeit ist, bei Geburtstagen Kuchen zu essen, was ich gerne mag. Ich mag, dass ich oft vom Schreibtisch wegkommen kann und etwas ganz Praktisches mache, und ich mag, dass ich Menschen begleiten kann, von der Taufe, Konfirmation, Schule bis hin zur Hochzeit und auch im Sterben. So diese Fülle an Leben mitzubekommen, das gefällt mir besonders gut.

Was ist das Schlimmste oder Negativste, was du als Pfarrerin erlebt hast?

Also sehr negativ ist, wenn‘s so wahnsinnig viele Termine sind, dass ich das Gefühl habe, ich mache alles nur noch, damit es irgendwie fertig ist, aber ich bin mit nichts mehr richtig zufrieden, weil alles nur noch wischiwaschi passieren muss, weil es halt so viel ist. Das Schlimmste war für mich in meiner Ausbildungszeit, als ich ganz spontan in eine Aussegnungssituation gerutscht bin. Also ich sollte eigentlich zu einer Frau ins Altenheim gehen, um mit ihr das Abendmahl zu feiern. Es war klar: sie ist krank, sie wird immer schwächer und sie möchte noch ein letztes Mal quasi das Abendmahl feiern. Und als ich ankam, war sie vor fünf Minuten gestorben, und das hat mich zum einen total getroffen, weil ich dachte, oh Mann wäre ich nur fünf oder zehn Minuten früher losgefahren oder eine halbe Stunde, dann hätten wir noch zusammen das Abendmahl feiern können, sie hätte ihren Wunsch noch erfüllt bekommen. Und zum anderen war ich halt gar nicht drauf vorbereitet, denn eine Aussegnung zu machen und quasi einem verstorbenen Menschen entgegenzutreten und den auch zu berühren und so zu segnen, das hat mich in meiner Ausbildungssituation einfach auch voll überfordert. Da habe ich total lang gebraucht, um das wieder abzulegen. An dem Tag konnte ich eigentlich nichts mehr machen. Da saß ich einfach auf dem Sofa und habe meine Katze im Arm gehabt und war so fertig mit der Welt.

Welchen Beruf hättest du gewählt, wenn du keine Pfarrerin geworden wärst?

Ich wollte eigentlich Tierärztin werden, aber es war schnell klar, dass mein Abiturschnitt dafür nicht reichen wird. Deswegen wäre ich wahrscheinlich Tierpflegerin geworden oder Tierarzthelferin oder so. Ich habe ein Praktikum auf einem Tierhof gemacht, wo Menschen mit Behinderung gearbeitet haben, und es war richtig cool, weil es ja zum einen so die Fürsorge für die Tiere und Versorgung und alles und zum anderen auch die Arbeit mit den Menschen gegeben hat. Das war eigentlich ein richtig, richtig cooles Praktikum in meinem Traumberuf. Genau, das hätte ich gemacht, wenn ich nicht Pfarrerin geworden wäre.

Was ist dein Lieblingsvers in der Bibel?

1 Korinther 13, 13, das ist mein Konfispruch, und der heißt: „Es bleibt Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die höchste unter ihnen. Den Spruch habe ich mir im Nacken tätowieren lassen, und der ist auch in meinen Talar eingestickt. Das ist der Wichtigste, und der ist mir in meinem Leben schon oft begegnet, so an Weggabelungen, wo ich nicht so richtig wusste, was als Nächstes zu tun ist. Das ist ein guter Vers. Wäre schön, wenn euer Konfispruch euch auch so begleitet, so wichtig für euch wird.

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