Leserbriefe

Gegen Hetze, für Verantwortung

Kai Hansen, Nürtingen. Zum Kommentar „So benimmt sich kein Opfer“ vom 17. April.

Zunehmend finden es Leute gut, schreierisch nationalistische Politik zu wählen. Rebekka Wiese beklagt im Kommentar die zersetzende Aggressivität der AfD. Es stimmt: „So benimmt sich kein Opfer“. Weder autoritäre Hetze noch Empörung taugen dazu, Probleme zu lösen. Der Sündenbock-Effekt dient nur zur Ablenkung von eigenen blinden Flecken und steht für den Unwillen, Veränderungen anzupacken. Empörung und Tabuisierung sind nutzlose Abwehrversuche. Etwas gärt jedenfalls, das ist deutlich. Wohin also blicken? Selbstverständlich sind neue Integrationsfähigkeiten durch die Kriege, die Armut in Afrika und deren Fluchtfolgen herausgefordert. Viel zu lange schon erodiert der staatliche Schutz für die Pflege unserer Grundversorgung und Infrastruktur. Zugleich hat auch die kulturelle Infrastruktur durch die Ökonomisierung, auch seit Corona, empfindlich gelitten. Wenn ein Wirtschaftssystem für die Bevölkerung höhere Kosten, als Dividende erzeugt, leidet das Vertrauen in staatliches Handeln und die Loyalität nimmt ab. Die Unsicherheiten machen Sorgen. Schlagworte wie ‚Politikwechsel‘ ändern nicht das „Weiter-so“. Sicherheits-Versprechen aus dem 20. Jahrhundert lösen nicht neue gesellschaftliche Herausforderungen. Das als unabänderlich dargestellte Konzept der Verstaatlichung von Kosten und Privatisierung von Gewinnen geht zulasten des Zusammenhalts. Kein Mensch, keine Religion, kein Staat kann Anerkennung für sich erwarten, ohne Schutz der Grundrechte des jeweils anderen. Demokratie lebt von Ausgleich, wie auch Globalisierung auf Anerkennung von Vielfalt und Integrationsfähigkeit baut. Nationale Abschottung, ignorante und expansive Selbstgerechtigkeit treiben Menschen dagegen auseinander. Auch Technik erzeugt nicht gerade menschlichen Zusammenhalt. Faires Miteinander lebt von fairem Ausgleich und sinnvollen Angeboten, die man nicht ablehnen will. Um Ohnmachtsgefühle zu überwinden und ein wirkungsvolles Miteinander zu erreichen, braucht es neue demokratische Verfahren und überparteiliche Verantwortung.

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