Leserbriefe

Hölderlin - ein Kellerkind

Barbara Leib-Weiner, Nürtingen. Zum Kommentar Skandal oder Chance? vom 15. Februar und zu Kritische Fragen und Lob vom 1. März. Ein Wehgeschrei aller Nürtinger Bürger, die Hölderlin und Nürtingen lieben, erwartete ich nach dem Artikel samt Kommentar von Frau Lieb. Aber nichts! Auch zur Information vor Ort, welche die SPD arrangierte, kamen nur wenige Nürtinger manche leider schon mit der Abrissbirne im Kopf.

Zum Teil erbarmungslos entschlossen will man das Letzte abreißen, was in der Hölderlinstadt baulich noch an ihren bekanntesten Bewohner erinnert. Ist man sich wirklich dessen bewusst, was man zerstören, wovon man sich trennen will? Hölderlin, weltweit bewundert, lebte mit Unterbrechungen bis zu seiner geistigen Umnachtung in unserer Stadt nicht nur während seiner Kindheit. Von überall zog es ihn, meist verzweifelt, in dieses sein Mutterhaus zurück. Hier schrieb er manche seiner bedeutendsten Werke, mehr als im Tübinger Turm, den man hegt, pflegt und vorzeigt. Wie glücklich kann sich Nürtingen preisen, noch etwas, wenn auch umgeformt und nicht mehr völlig authentisch, zeigen zu können, was auch denjenigen etwas gibt, die sich über begehbare Orte ein Bild von einem großen Menschen zu machen versuchen. Wie viele Menschen lasen Peter Härtlings Buch über Hölderlin, näherten sich auch da nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit dem Dichter, und fanden doch Zugang zu ihm.

Der Schweizerhof, das Hölderlinhaus, hat Geschichte. Über 250 Jahre war es belebt und verschiedenartig genutzt. Es war nie ein heilig musealer Bau. Hölderlin regierte hier nicht wie ein Dichterfürst. Man vergaß, dass er hier lebte, es gab keinen Denkmalschutz. Bis Kocher den Schatz hob. O möge einer wie er wieder auferstehen, bevor es zu spät ist! Natürlich wurde das Haus immer wieder verändert (siehe Archiv), Eingänge und Innenwände wurden verlegt, Dach und Fenster verändert, aber wenig das gesamte äußere Erscheinungsbild. Der älteste erhaltene Grundriss von 1811 zeigt fast die gleichen Umrisse wie heute. Man behauptet, sich auf Kocher beziehend, das Haus sei nicht schön. Ein Foto aus den 20er-Jahren (Archiv) zeigt zum Beispiel ein weitaus attraktiveres Haus, auf das man bei einer Restauration zurückkommen könnte. Anregen könnten auch alte Pläne oder ein Vergleich mit Häusern der Umgebung. In den Weinkeller will man die Erinnerung an Hölderlin verbannen, in ein dunkles Gewölbe den Dichter, der wie kaum ein anderer Natur, Licht und Sonne liebte!

Das Haus ist groß und mit den vielseitigen Möglichkeiten des modernen restaurativen Bauwesens sicher so zu gestalten, dass man sagen kann: So etwa war das Zuhause von Hölderlin. Und doch vermag heute die Volkshochschule darin zu arbeiten. Eine Herausforderung an Stadt und Architekt. Ein kunstvoll restauriertes Hölderlinhaus wäre Besucherziel in unserer Stadt, die attraktiver werden will.

Zur Startseite