Leserbriefe

Viel Glas zerschlagen

Julia Rieger, Nürtingen. Zum Leserbrief „Keine Selbstverleumdung“ vom 29. Januar.

Herr Kunzmann tat gut daran, nicht an der Demo am 20. Januar teilgenommen zu haben. Seine Äußerungen im Leserbrief vom 29. Januar zeigen auf, welche innere Haltung er zum rechten Gedankengut hat. Genau gegen diese Haltung wenden sich die Demonstrationen im ganzen Land gegen Rechts, Rechtsextremismus und für Menschenwürde und Demokratie. Wer von „dieser gewollten massenhaften Einwanderung von bildungslosen Menschen“ spricht, verkennt die Realität. Viele, die keine europäische Bildungsschule genossen haben, sind heute ausgebildete Maurer, Mechaniker, Maler und zahlen ihre Steuern. Diejenigen, die es nicht schaffen, scheitern nicht an ihrer Bildungslosigkeit, sondern am restriktiven Asylsystem, das krank und verzweifelt macht. Wer sich tiefer mit den Fakten zu Fluchtursachen und gelingender Integration beschäftigt, redet nicht wie Herr Kunzmann oder die AfD. Ich möchte daran erinnern, was der Anlass der Demo war: ein menschenverachtendes Bild der Ewiggestrigen, das in der Konferenz zu Potsdam von AfD-Politikern und einigen CDUlern gezeichnet beziehungsweise widerspruchslos hingenommen wurde. Dagegen gilt es zu protestieren. In Nürtingen hat die Gruppe „Fridays for Future“ den Faden aufgegriffen. Das lose Netzwerk von Menschen, das sich in Nürtingen für eine offene Gesellschaft und Menschenrechte einsetzt, hat durch eine informelle Kommunikationskaskade am schnellsten von der Idee der Demo erfahren. Keine vier Stunden nach der Initial-Frage „Sollen wir am Samstag eine Demo machen?“ wurden alle Fraktionen im Nürtinger Gemeinderat zum Mitwirken eingeladen. Das Unvermögen, schnell zu reagieren, um an der Titelgebung und Konzeption einer ganz breiten Demo mitzuwirken, darf Herr Kunzmann nicht Anderen in die Schuhe schieben. Herr Kunzmann, den ich in meiner Zeit im Gemeinderat als streitbaren, aber verbesserlichen Kollegen kennengelernt habe, hat mit seinen polemischen Äußerungen viel Glas zerschlagen. An einer Demo, an der er eine Rede halten wird, will ich nicht teilnehmen.

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