Leserbriefe

Wie sinnvoll ist G9?

Hartmut Wirsching, Beuren. Zum Artikel „G9-Initiative verliert ihre Gründerinnen“ vom 21. Juni.

Seit Jahrzehnten zeigen unzählige Studien, wie sozial ungerecht das hiesige Bildungssystem ist und wie stark die Bildungschancen von der sozialen Herkunft abhängen. Bei uns besteht eine heterogene Schullandschaft (Hauptschule, Werkrealschule, Realschule, Gemeinschaftsschule, Gymnasium), die bildungsökonomisch teuer und ineffizient ist. Nun hat es eine kleine Minderheit von Eltern mit 100.000 Unterschriften und mit Hilfe eines von der Landesregierung eingesetztem Bürgerforum geschafft, eine Rückkehr zu G9 zu ermöglichen. Ist dies sinnvoll?

Es gibt in Baden-Württemberg viele Möglichkeiten, das Abitur nach dreizehn Jahren zu erwerben: An den beruflichen Gymnasien mit ihren sehr unterschiedlichen Profilen, an Gemeinschaftsschulen mit gymnasialer Oberstufe, an Abendgymnasien und Berufsoberschulen.

In vielen Ländern Europas ist G8 Standard. Mit der Einführung von G9 werden zusätzlich 1400 Lehrkräfte benötigt. Diese müssen erst einmal akquiriert werden. Die Kommunen als Schulträger müssen für G9 zusätzliche Räumlichkeiten bereitstellen. Dies bedeutet weniger Geld für andere Schularten. Ein flächendeckendes G9 öffnet das Gymnasium so weit, dass vor allem die wichtigen beruflichen Gymnasien geschwächt würden.

Fazit: Nicht das Gymnasium, sondern das untere Leistungsdrittel der Schülerschaft muss im Mittelpunkt von Reformen stehen. Eine Wiederbelebung von G9 verhindert die wirklich wichtigen Veränderungen in der Schullandschaft und versperrt den Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit.

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