Leserbriefe

Wo bleibt der Aufschrei?

Kurt Schneider, Unterensingen. Zum Atikel „Ergebnis korrigiert: Sächsische AfD verliert wichtigen Sitz“ vom 3. September

Man stelle sich vor, es ist Wahlabend, die Spannung steigt und plötzlich wird klar: Die AfD könnte in Sachsen eine Sperrminorität halten. Für viele ist das ein Schock, für andere eine Bestätigung des erwarteten Wahlausgangs. Doch dann, am nächsten Morgen, kommt die Meldung, die alles verändert: Ein Softwarefehler hat das Wahlergebnis verfälscht. Die AfD verliert ihre Sperrminorität. Und das alles wegen eines Softwarefehlers? Man muss es mit Humor nehmen, anders ist dieser politische Thriller nicht zu ertragen. Man stelle sich vor, ein ähnlicher Vorfall wäre in Ungarn passiert. Die Schlagzeilen in Deutschland wären auf jeden Fall heftig. Doch hier, im Land der Dichter und Denker, spricht man eher von einem bedauerlichen Missgeschick. Schließlich kann Software auch mal einen schlechten Tag haben, oder? Die korrigierten Ergebnisse passen doch wunderbar in das Narrativ, das viele erwartet haben. Die AfD wird ihrer (Sperr-)Macht beraubt, die „Guten“ bekommen, was ihnen zusteht, und die Demokratie atmet auf. Oder etwa nicht? Die Ironie an der ganzen Geschichte ist köstlich. Stellen wir uns vor, dass so ein „Softwarefehler“ mal in der Türkei oder in Serbien passiert. Was für ein internationaler Aufschrei wäre da wohl zu erwarten? Der Westen würde Sanktionen diskutieren, die Vereinten Nationen würden eine Untersuchungskommission einberufen und die Medien würden endlos darüber berichten. Aber in Sachsen? Da zuckt man nur mit den Schultern und korrigiert das Wahlergebnis. Kein Grund zur Sorge, hier ist alles unter Kontrolle. Und während sich die Wähler, die vielleicht mit ihrem Kreuz gegen den rot-grünen Zeitgeist protestieren, wollten die Augen reiben, stellt sich die Frage: Was kommt als Nächstes? Vielleicht ruft ja Frau Merkel wieder an?

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