Weihnachtsgrüße

Der Dezember ist in Indien die Hochsaison der farbenfrohen Hochzeiten

Sara Hiller erlebt in der Sechs-Millionen-Metropole Ahmedabad dank der vielen Religionen und ihrer für fremde Bräuche offenen Gastfamilie ein indisch-deutsches Weihnachtsfest

Zusammen mit ihrer Gastfamilie war Sara Hiller im Dezember bei indischen Hochzeiten (in der Mitte das Brautpaar, rechts Saras Gastbruder).

Reiscurry statt Rumkugel, Tempel besuchen und nicht traditionell den Tannenbaum schmücken, in der Sonne schwitzen statt Schnee schaufeln. Mein erstes Weihnachten in Indien steht vor der Tür. Doch bei täglichen 20 bis 30 Grad und in einem Land weit weg von unseren europäischen Weihnachtsbräuchen scheint es unmöglich zu sein, so etwas wie Weihnachtsstimmung zu bekommen. So dachte ich jedenfalls anfangs.

Doch dass in Indien einfach alles möglich ist, wird mir tagtäglich erneut bewiesen. So sind schon die großen Shoppingmalls weihnachtlich geschmückt und wenn ich morgens im Bus mit zwanzig weiteren kleinen indischen Schulkindern sitze, zeigen sie mir stolz, welche englischen Weihnachtslieder sie schon gelernt haben.

Seit fast sechs Monaten lebe ich nun schon in Indien und kann nicht glauben, wie schnell die Zeit vergeht. In der Zeit habe ich schon so Unglaubliches erlebt, viele neue Menschen kennengelernt und Erfahrungen gesammelt, die ich nie vergessen werde.

Zu Anfang war es natürlich eine große Herausforderung, als weißes Mädchen in ein so gegensätzliches Land mit über 20 offiziellen Sprachen, einer vollkommen anderen Esskultur, der unglaublichen Religionenvielfalt und den vielen farbenfrohen Traditionen zu gehen.

Pünktlich zur tropischen Monsunzeit angekommen, war es wie eine andere Welt, in die ich „hineingeschubst“ wurde. Doch die unglaublich große Gastfreundschaft der Inder half mir, mich an die Umstellung vom heimischen Deutschland zum eher chaotischen Indien sehr schnell zu gewöhnen.

So liebe ich es, mit dem Fahrrad durch den verrückten indischen Straßenverkehr zu fahren, vorbei an Kamelen, Elefanten, Hunden, hupenden Autos und den vielen Motorrädern.

Die erste Zeit meines Auslandsjahres verbrachte ich in einer sehr traditionellen hinduistischen Familie in Gandhinagar, der Hauptstadt des westlichen Staates Gujarat. Aufstehen um 5.30 Uhr, Unterricht mit 60 weiteren Mitschülern in einer Klasse, Tempel besuchen, Hausarbeit wie kochen, Wäsche waschen und putzen, so sah nun mein neuer täglicher Alltag aus. Ich lernte dort viel über das einfache dörfliche indische Leben kennen.

Umso mehr war ich überrascht, als ich nach vier Monaten in die moderne Sechs-Millionen-Metropole Ahmedabad wechselte und eine vollkommen andere Seite an Indien entdeckte.

Nun lebe ich mit drei Generationen unter einem Dach, einer sogenannten Joint Family, in der es nie langweilig wird: meine indischen Eltern Rasesh und Ruchika, die Brüder Mirage und Parshwa und die Großeltern Hasmukh und Pushpa.

Eine weitere Umstellung war, dass sie der Religion des Jainismus angehören, von der ich zuvor nur wenig wusste.

Um Mikroorganismen zu schützen und sie nicht unnötigerweise zu töten, essen sie rein vegetarisch und zudem nichts, was unter der Erde wächst, das heißt also keine Kartoffeln sowie Zwiebeln und Knoblauch. Anfangs hatte ich Zweifel, wie sie sich überhaupt ernähren können, denn auch Eier werden als nicht-vegetarisch angesehen und daher vermieden. Doch auch diese Zweifel verflogen sofort, denn die indische Küche ist so vielfältig und lecker, dass sie sich den Essgewohnheiten der vielen Religionen angepasst hat. Auch an das scharfe Essen habe ich mich gewöhnt und rühre kein Essen mehr an, in dem nicht wenigstens ein bisschen Chili ist.

In meiner Freizeit lerne ich die lokale Sprache Gujarati sowie die Nationalsprache Hindi. Auch indische Tänze wie Garba und Kathak, und „Mehandi“, das Zeichnen von Mustern mit Henna auf die Hände und Arme, sind Dinge, die ich zu lernen liebe.

Es gibt wohl kein anderes Land auf der Welt, in dem Religion einen so großen Wert hat wie Indien: von Buddhismus, Hinduismus, Sikhismus und Jainismus bis Islam und Christentum.

Dass man hier eine unglaubliche Religionenvielfalt findet, wurde mir schon an meinem ersten Schultag bewusst, als ich meine Mitschüler kennenlernte, die aus allen Religionen bunt zusammengewürfelt sind. Jeden Monat gibt es mindestens ein religiöses Fest, das groß mit bunten Straßenumzügen zelebriert wird.

Weihnachten wird hier auch gefeiert, vor allem natürlich von den in Indien lebenden Christen.

Doch das eigentliche „indische Weihnachten und Neujahr“ wurde schon Mitte November begrüßt. Denn dann steht ganz Indien auf dem Kopf, wenn Diwali, das bekannte Lichterfest, gefeiert wird.

Eine Woche zündeten wir jeden Tag Feuerwerkskörper an, besuchten die Großfamilie, gingen in den Tempel und feierten so den Beginn des 2069. Jahres im hinduistischen Kalender. Während bei uns Dezember Vorweihnachtszeitstress bedeutet, ist nun in Indien die Hochsaison der Hochzeiten. Farbenfroh, mit lauter Musik und Tanz verbrachte ich den Dezember auf indischen Hochzeiten, die so unglaublich bunt sind. Mit Freunden und mit meiner indischen Gastfamilie, die so neugierig alles über unsere deutschen Weihnachtsbräuche wissen will, werde ich Weihnachten indisch-deutsch feiern. Und dazu Plätzchen backen – natürlich ohne Ei.

Ich sende viele Weihnachtsgrüße aus Indien an meine Familie, Verwandten und an meine Freunde in Deutschland. Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest mit hoffentlich viel Schnee!

Namaste

eure Sara Hiller

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