Weihnachtsgrüße

Der „Muzungu“ ist mehr als ein wandelnder Geldbeutel

Pia Wunderlich berichtet über ihr Leben im ugandischen Masaka und ihrer daraus resultierenden Erkenntnisse

Pia Wunderlich lernt in Uganda jeden Tag Neues dazu. Foto: privat

Kurzer Disclaimer: Alles, was ich hier beschreibe, sind meine individuellen Erfahrungen, die nicht auf eine Bevölkerung, ein Land oder einen Kontinent verallgemeinert werden können und von anderen Menschen unterschiedlich wiedergegeben und wahrgenommen werden. Viel Spaß bei meiner kleinen Reise nach Uganda.

Auf die Frage, warum ich einen Freiwilligendienst machen möchte, habe ich bis heute keine richtige Antwort gefunden. Bis kurz vor meiner Abreise hätte ich mir ehrlich gesagt keinen unpassenderen Weg vorstellen können, als den nach Uganda zu fliegen. Ich habe mir meine Entscheidung sogar oft vorgeworfen. „Du machst das nur, weil deine Freunde das gemacht haben, du willst das eigentlich gar nicht und redest dir ein, es zu wollen. Hör auf dich selbst anzulügen, Pia.“ Vielleicht wollte ich auch einfach nur für eine gewisse Zeit Deutschland entfliehen und etwas anderes sehen. Aber selbst das klang nicht wie eine richtige Begründung. Ich wusste nicht mehr, was ich wollte und ob dieser Freiwilligendienst jetzt genau das richtige für mich ist. Die Vorstellung aus seinem gewohnten Umfeld auszubrechen und ein Jahr lang in einem komplett anderen Land zu leben, in dem Alltag komplett anders definiert wird, klingt auch ehrlich gesagt immer noch etwas verrückt. Zuhause habe ich meinen sicheren Hafen, meine Menschen, mein Umfeld, zu dem ich immer zurückkann. Warum sollte ich das für ein Jahr hinter mir lassen?

Ohne sichere Antwort auf diese Frage bin ich trotzdem in den Flieger gestiegen. Diese Reise nicht anzutreten, kam mir bei keinem meiner Gedankenspiele wirklich in den Sinn. Vielleicht habe ich diese Entscheidung auch einfach sehr unterschätzt. Ein Jahr geht schneller vorbei als man denkt und ehe man sich versieht, geht man, wenn es gerade am besten ist. So ist es doch immer, oder nicht?

Am 28. August ging meine Reise also los. Mit dem Flieger und fünf anderen Freiwilligen wurden wir über unsere Organisation Kolping JGD nach Uganda geflogen und an drei verschiedene Einsatzstellen verteilt. Kampala, die Hauptstadt, für die die Beschreibung „lebhaft“ eigentlich noch untertrieben ist, Nkozi, was im Gegensatz zu Kampala seeeehr klein, aber deshalb nicht zu unterschätzen ist, und meine Einsatzstelle in Masaka. Mit dem Taxi sind alle Freiwilligen gut erreichbar, auch wenn man sich seinen Sitz oft mit einer anderen Pobacke teilen muss. Man sitzt dann auf einer Reihe für drei Personen stattdessen mit bis zu fünf Leuten, was auf vier bis fünf Stunden schon mal bedeuten kann, dass man seinen eigenen Hintern nicht mehr spürt.

Neben den Taxis gibt es hier Motorradtaxis, die Boda Bodas genannt werden und im Endeffekt nichts anderes sind als 125er, also A1 Maschinen, aka Mopeds. Der große Unterschied ist, dass alles mit diesen Bodas transportiert wird. Von einer Person über vier Personen bis hin zu Tischen und zusammengebauten Betten ist alles dabei. Verkehrsregeln gibt es hier nur in der Theorie. Hauptsache du bleibst auf deiner Straßenseite (links), was aber auch nicht so streng gesehen wird, und benutzt deinen gesunden Menschenverstand.

Das England Uganda kolonialisiert hat, merkt man an vielen Ecken. Das fängt schon bei der Sprache an. Die Amtssprache ist Englisch, was bedeutet in der Schule wird nichts anderes gesprochen und alle offiziellen Dokumente sind auch auf Englisch. Einige Menschen beherrschen die Sprache deshalb trotzdem nicht, da sie hauptsächlich in der Schule benutzt wird und sich viele die Schulgebühren nicht leisten können. Gesprochen werden in Uganda über 70 Sprachen. Ich bin mehr im Zentrum bzw. im Süden. Hier wird Luganda gesprochen, aber im Norden spricht man zum Beispiel kein Luganda mehr. Das führt übrigens dazu, dass manche Menschen mehr als zwei Sprachen sprechen oder verstehen können, was ich persönlich sehr beeindruckend finde. Auf der anderen Seite habe ich mich schon gefragt, wie viel sich wohl durch die Kolonialisierung in der Sprache und der Lebensweise verändert hat, was wohl verloren gegangen ist?

Die Straßen in der Stadt sind bis auf die Tatsache, dass es sehr viele Schlaglöcher gibt, wie in Deutschland. Oft findet man hier aber Böden aus Lehm, weshalb es, wenn es geregnet hat, sehr rutschig ist. Überall sieht man sie, die roten Lehmböden in Kombination mit den vielen grünen Bananen- , Mangobäumen und Kaffeeplantagen. In meinen Augen einfach nur schön. Da wir nah am Äquator wohnen, geht die Sonne hier jeden Tag zur gleichen Zeit wieder auf und unter und die Temperaturen bleiben eigentlich immer bei 25°C, beschweren kann ich mich also nicht.

Die Obstvielfalt ist hier fast eines meiner liebsten Dinge. Avocados , Bananen und Ananas wachsen hier bei vielen im Garten. Die Sorge aus welchem Land sie also hergeflogen wurden, habe ich also nicht.

Foto: privat

Gegessen wird hier sehr oft das gleiche, was eigentlich eine schöne Abwechslung ist, weil es die verbotene Frage „Was wollen wir heute kochen?“ vereinfacht. Klassische Gerichte sind zum Beispiel Matooke, Reis oder Posho, welche dann mit verschiedenen Soßen zubereitet werden, wie zum Beispiel Bohnen, Fisch, Hühnchen oder Kohl. Matooke besteht aus gekochten grünen Bananen, die Konsistenz kann oft mit Kartoffelbrei verglichen werden, aber so richtig stimmen tut das nicht. Posho gibt es in vielen verschiedenen afrikanischen Ländern und besteht aus Wasser und Maismehl. Die Vielfalt an internationaler Küche fehlt mir dennoch sehr, weshalb ich dann doch auch öfter mal in Kampala oder einer anderen Stadt essen gehe. Man findet hier also auch Gerichte wie Burger, Pizza, Spaghetti und die asiatische Küche, was aber von vielen Locals nicht sehr häufig gegessen wird.

Es gibt so viel zu erzählen, dass ich gar nicht weiß, wo ich weitermachen oder aufhören soll. Fast alles in diesem Land ist anders. Von den Unterhaltungen, die man mit den Menschen führt, über die Schule bis hin zur Art des Wohnens und wie Meschen hier mit Ressourcen umgehen, was ihnen wichtig ist und was auf der Liste der Prioritäten eher unten landet. Wie damit umgegangen wird, wenn es regnet, wie man einkauft, wenn man zum Wochenmarkt geht, der in Masaka übrigens jeden Tag ist, die Tatsache, dass man überall und mit jedem verhandelt, wie viel etwas kosten soll, dass man als weiße Person direkt auffällt und von vielen als wandelnder Geldbeutel betrachtet wird, wie man aufs Klo geht, wie man sich und seine Wäsche wäscht und mein größter Schock, dass hier Kaffee angebaut wird, es aber keine Kaffeekultur wie in Deutschland gibt.

Ich vergesse manchmal, wie viel ich hier schon gelernt habe. Aber es hört nicht auf. Jeden Tag begegnet einem etwas Neues und das ist unglaublich faszinierend. Der Gedanke, dass ich dieses Land niemals bis aufs kleinste Detail verstehen werde, weil ich hier nicht aufgewaschen bin, hinterlässt manchmal ein melancholisches Gefühl. Gleichzeitig finde ich es unfassbar berührend zu wissen, dass mein Weg zum Glücklichsein, nicht der einzige ist und es oft viel weniger braucht, als ich denke.

Hätte man mich noch vor einem Monat gefragt, was ich mir am meisten wünsche, wäre meine Antwort „Ein Ticket zurück nach Deutschland“ gewesen. Ich habe festgestellt, dass ich am Anfang sehr misstrauisch den Menschen gegenüber war, da hier der „Muzungu“ (Der Weiße), als eine wohlhabende Person mit viel Geld betrachtet wird. Beim Verhandeln um den Preis kann es also immer passieren, dass dir mehr Geld aus der Tasche gezogen wird als den Locals. Die Aussage von Kindern „Muzungu, give me some money“ begegnet mir meistens, wenn ich einen Spaziergang durchs Dorf mache. Trotzdem würde ich sagen, dass das nicht der Standard ist. Es begegnet dir und dennoch gibt es hier super viele Menschen, die einfach nur mit dir in Kontakt treten wollen, weil sie dich interessant finden oder mit dir befreundet sein möchten. Das durfte ich lernen und so sind schöne Kontakte entstanden und auch Kontakte, die ich direkt wieder gehen lassen konnte. Am Ende des Tages findet man wohl jede Art Mensch, egal auf welchem Fleck Erde man sich befindet.

Bevor ich kein Ende finde, wünsche ich eine wunderschöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Liebe Grüße aus Uganda

Pia Wunderlich

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