Weihnachtsgrüße
Weihnachten geht auch unbeschwert
Wenn Ingrid Lieberknecht und Ton Sneevliet in Andalusien Heilig Abend „en familia“ feiern, kommen rund 40 Leute zusammen.
Da ich früher in Nürtingen in die Schule ging, möchte ich gerne Weihnachtsgrüße aus Andalusien in die alte Heimat schicken.
„Also, Ingrid, wir sehen uns dann wieder an Weihnachten“, sagte Christian zum Abschied zu mir, als ich mit ihm und seiner Verlobten, seine Tante Inma besuchte, die eine gute Freundin von mir ist und gerade einen kleinen chirurgischen Eingriff hinter sich hatte.
Regel 1: Familie ist das Allerwichtigste, hier in Andalusien und sicher auch im moderneren, mehr industrialisierten Teil von Spanien.
Regel 2: Familie ist nicht nur Vater, Mutter, Kinder und vielleicht noch Grosseltern. Zur Familie gehören auch Onkel und Tanten, Neffen und Nichten. Und, wenn man es so gut trifft wie wir auch noch gute Freunde.
Regel 3: Familie bedeutet, alle Namen (auch die der allerneuesten Partner, die hier Verlobte/r genannt werden) zu kennnen und ein bisschen über deren Familien zu wissen.
Regel 4: Die Familie hat ein Informationssystem, das zwar heutzutage Smartphones gebraucht, aber auch ohne Elektronik rundum funktionieren würde, weil zum Beispiel fast jeder zu Fuß zum Einkaufen geht, sich unterhält und danach in einem Café noch eine Kleinigkeit trinkt.
Regel 5: In der Familie hilft man sich gegenseitig, das heißt, bei Problemen, gesundheitlicher oder anderer Art, ist man füreinander da, und die etwas schwächeren Mitglieder werden einfach mitgezogen.
Und somit sind wir bei Weihnachten, das am Heiligabend als Familienfest, also ¨en familia¨, gefeiert wird. Vorige Weihnachten hat Inma es ausgerichtet, im Jahr davor ihre Schwester, im Jahr davor ihre andere Schwester, Christians Mutter. Wir sind also normalerweise ein Gruppe von rund 36 Erwachsenen und 6 Kindern, weil von der jungen Generation noch nicht mal die Hälfte Kinder hat.
Das Haus kann schon in der Woche vor dem ersten Advent geschmückt werden, wenn auch in den Strassen die Weihnachtsbeleuchtungen angehen.
Ursprünglich hatte man in Spanien nur ein ¨Bethlehem an Weihnachten¨ (Belén de Navidad), also eine Weihnachtskrippe, die jährlich erweitert und mit frischen Zweigen bestückt werden kann.
Heutzutage gibt es in den meisten Häusern einen Weihnachtsbaum, der allerdings aus Kunststoff ist, und einige farbenfrohe Dekorationen, die im Haus verteilt sind.
Geschenke gibt es erst zu Los Reyes Magos (Heilige Drei Könige), was die Vorbereitungen für Weihnachten erleichtert. Natürlich hat sich inzwischen auch eine neue Tradition (¨nur eine Kleinigkeit an Weihnachten¨) eingeschlichen.
Selbstgemachte Weihnachtsplätzchen gibt es hier nicht (mehr), man kann im Supermarkt Kleingebäck kaufen, das einzeln verpackt ist, und auch Turrón (weisser Nougat) in allerlei Varianten ist eine Spezialität.
Und nun geht es an die Einkäufe (natürlich mit finanzieller Beteiligung aller) und Vorbereitungen zum Weihnachtsessen.
Da wäre der traditionelle Jamón Ibérico de Pata Negra (iberischer Schinken vom ¨Schwarzfussschwein¨), der der allerbeste und allerteuerste ist, weil diese speziellen Schweine zwischen Korkeichen groß werden.
Dann eine riesige Platte voll Gambas (Garnelen), natürlich aus Spanien, die von jedem selbst geschält werden müssen.
Weitere leckere Vorspeisen, wie gefüllte Eier, Oliven und Knabbereien, gehören ebenfalls dazu.
Man kann nämlich nicht gleich zu Tisch gehen, wenn man am Heiligen Abend gegen 20 Uhr eintrifft, sondern steht dicht beisammen und spricht – mit Vorliebe alle gleichzeitig. Das ist keinesfalls störend, da jeder jeden begrüsst mit zwei Küsschen, nach dem Befinden fragt und die Kinder bewundert.
Gegen halb zehn setzen sich alle, meist gibt es ein bisschen zu wenig Platz am Tisch, aber mit etwas Zusammenrücken klappt es prima. Es gibt eine Suppe, Fleisch oder Fisch mit Gemüse, Kartoffeln und noch verschiedenes andere, damit sich jeder das für ihn Leckerste aussuchen kann.
Immer wieder stehen einige der Frauen auf, um beim Servieren und Abräumen zu helfen. Die Männer halten sich bei solchen Gelegenheiten zurück. (Hier ist noch ziemlich viel Luft nach oben.)
Leckeren Nachtisch gibt es auch, meistens zuviel, weil manche noch Cremedesserts gemacht oder Törtchen gekauft haben.
Nach dem Essen und, nicht zu vergessen, dem Genuss von ziemlich viel Rotwein, kann man sich wieder ausbreiten im Haus. Denn es gibt noch viel zu besprechen, vor allem, wenn man sich nicht so häufig sieht.
Mit der Familie gemeinsam Weihnachtlieder singen oder Weihnachtsmusik hören ist nicht üblich. Es gibt jedoch in kleineren Dörfern Krippenspiele im Freien, bei denen auch gesungen wird. Ein fantastisches Erlebnis.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei unserer spanischen Familie bedanken (ich werde ihnen den Text übersetzen) für die Wärme und Freundlichkeit, mit der sie die zwei Ausländer aufgenommen hat.
¡Querida Familia, Feliz Navidad!
Ingrid Lieberknecht und Ton Sneevliet